Häretische Gedanken zur Umverteilung: Warum eigentlich?

Gerade die österreichische Umverteilungsmaschinerie ist es, die das Wachstum, Grundlage des Wohlstands, zu ersticken droht.

Die Umverteilungsdiskussion kommt langsam in Schwung. Das kann nicht weiter verwundern.

Denn nach all den Krisen, den gigantischen Rettungspaketen, dem nur mehr sehr bescheidenen Wirtschaftswachstum, bei weiterhin steigenden Ansprüchen an öffentliche Budgets und angesichts exorbitanter offener wie verdeckter Staatsschulden muss der Blick auf die Berge von Vermögen fallen bzw. gelenkt werden, die es nicht nur im alpinen Österreich auch noch gibt.

Nach Beiträgen an dieser Stelle, die uns glauben machen wollen, es sei alles so gut wie noch nie (Michael Hörl, 17.1.), und solchen, die das bestenfalls für eine gesellschaftliche Randgruppe, nämlich die „Reichen“, gelten lassen (Ursula Till-Tentschert, 25.1.), irritierte zuletzt Wilfried Altzinger mit der unheimlichen „Macht, die von privaten Vermögen ausgeht“. Diese Macht sei durch entsprechende Besteuerung, die Wiedereinführung einer Erbschafts- und Vermögensteuer zu bändigen.

Gelernt ist gelernt

Ja, so haben wir das gelernt, so wird es gelehrt, so sind wir das gewohnt und finden es in Ordnung: Die Einkommensverteilung, die „über Märkte“ zustande kommt, die Primärverteilung, muss – um einen sozialen Ausgleich herzustellen – durch den Staat über Steuern, Abgaben und Sozialleistungen entsprechend umverteilt werden: Man spricht von Sekundärverteilung.

Und dies jetzt umso mehr infolge der auch in Österreich zunehmend ungleicheren Verteilung von Einkommen und Vermögen. Man mag zwar mit Recht die Zahlen bezweifeln (wie mehr noch deren selektiven Gebrauch durch jeweils unterschiedliche Autoren), doch die grundsätzliche Entwicklung hin zu größerer Einkommens- und Vermögensdivergenz ist weitgehend unbestritten und auch irritierend.

Unbestritten ist jedoch auch, dass wir nicht erst seit vorgestern in einem der „führenden Sozialstaaten“ der Welt leben, mit Spitzenwerten, was die Besteuerung und die Sozialleistungen betrifft. Wenn die Einkommens- und Vermögensverteilung also immer disparitätischer wird, dann stellt sich die grundsätzliche Frage, was (auch hier) seitens der Politik schiefläuft.

Quellen werden nicht hinterfragt

So werden zunächst die Quellen von Einkommen nicht weiter differenziert bzw. hinterfragt. Hier würde sich nämlich zeigen, dass gerade hohe Einkommen nicht etwa allein durch produktives Verhalten (also über Wettbewerbsleistungen auf Märkten), sondern gerade durch die hoheitliche Einschränkung beziehungsweise durch die Elimination von Wettbewerb, durch vielfältige staatliche Regulierungen, durch enorme verdeckte und offene Subventionen oder direkte und indirekte Beschäftigung im öffentlichen Sektor entstehen – durch Unternehmen im (überwiegenden) Staatsbesitz sowie diverse Zulieferer.

Umverteilung erfolgt eben gerade nicht nur über Steuern und „öffentliche Leistungen“, sondern in vielfältiger Form über staatliche Regulierungen, die Wettbewerb in vielen Bereichen (in welchen eigentlich nicht?) reduzieren, wenn nicht eliminieren, sodass es sich dort auch ohne viel Leistung, jedenfalls aber mit den richtigen Beziehungen, gut leben lässt.

Enorme Steuerlast

Bei Umverteilung denken wir zuallererst an die enorme Steuerlast, die vor allem auch – ausgerechnet – den vielen „Kleinverdienern“ in Österreich in schamloser Weise aufgebürdet wird, sodass an ein Sparen und damit an eine Vermögensbildung bei geringem Einkommen gerade aufgrund der Steuer- und Abgabenlast gar nicht zu denken ist.

Dass das Steuersystem gerade jenen, die es sich leisten können, unglaubliche Möglichkeiten des „Steuersparens“ eröffnet und ein nicht unwesentlicher Teil der österreichischen Intelligentia sich mit Steuerminimierung und der immer byzantinischeren Formulierung des Abgaben- und Förderungsrechts befasst, gibt auch niemanden mehr zu denken.

Bei Umverteilung denken wir als Österreicher stolz an die üppigen Sozialleistungen und sonstigen öffentlichen bzw. öffentlich bereitgestellten Güter, die nicht zuletzt unseren sozialen Frieden gewährleisten (sollen).

Unnötige Förderungen

Bei näherem Hinsehen erschrickt man freilich. Denn es ist nicht nur die Allgegenwärtigkeit öffentlicher Segnungen evident (wer, bitte schön, sagt etwas gegen unsere Infrastruktur, allenfalls gegen die enormen Kosten einschließlich der Korruption, die mit ihrer Erstellung und Aufrechterhaltung verbunden sind?), sondern es gerät das Bildungs- und Gesundheitswesen oder aber der Kulturbetrieb ins Objektiv. Bereiche, in denen die Begünstigten, die „Konsumenten“, zum nicht unbeträchtlichen Teil eine staatliche Förderung gar nicht brauchten, wohl aber bei der Erstellung dieser Güter – den marktlichen Wettbewerbsprozessen entzogenen – bestens verdienen.

Fast hätte ich es vergessen! Umverteilung erfolgt nicht nur über ein hochkomplexes und in seiner Gesamtheit längst nicht mehr durchschaubares Imbroglio von wettbewerbshemmenden Regelungen, über Steuern und Staatsausgaben und direkte wie indirekte öffentliche Beschäftigung ohne entsprechende Gegenleistung, sondern gerade heute für jeden (einfache Leute jedenfalls!) spürbar über die Geldpolitik!

Sie ist es, die Europäische Zentralbank, und mit ihr auch die OeNB, die im Rahmen des x-ten Bankensanierungspakets die Zinsen so niedrig hält, dass die Realverzinsung bekanntermaßen tief im Minus steckt.

Diese schleichende Enteignung (=Umverteilung zu den Schuldnern) trifft aber in erster Linie Kleinsparer, die weder in Immobilien oder in sonstige alternative Vermögensarten flüchten können. Von dem durch die Geldpolitik verursachten Anstieg der Vermögenspreise profitieren indes in erster Linie die Reichen.

Umverteilung zu den Falschen

Wiederum also genau jene Umverteilung zu jenen, die es nicht brauchen! Auch damit sollten wir in Österreich endlich aufhören! Produktive Leistungen zu belohnen anstatt zu bestrafen – also Wettbewerb zuzulassen bzw. durchzusetzen –, sodass produktiv erworbenes Vermögen vermehrt gebildet werden kann, das wäre die Aufgabe der Politik.

Und die Wissenschaft täte gut daran, der weit verbreiteten Dämonisierung wettbewerblichen Einkommenserwerbs und so geschaffenen privaten Vermögens entgegenzutreten.

Schlussendlich ist es gerade diese gigantische Umverteilungsmaschinerie durch kaum mehr durchschaubare Regulierungen, erdrückende Steuern und längst aus dem Ruder gelaufenen Staatsausgaben (die mit hoheitlichen Kernaufgaben rein gar nichts mehr zu tun haben), die das Wachstum, das allein die reale Grundlage für eine nachhaltige Umverteilung bilden kann, längst zu ersticken droht.

Zur Person


E-Mails an: debatte@diepresse.comFerry Stocker (*1961 in Lienz) studierte Handelswissenschaften und Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er ist Fachbereichsleiter für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Wiener Neustadt.

Sein jüngstes Buch: „Zahltag. Finanz- und Wirtschaftskrise und ökonomische Prinzipien“. [privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2013)

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