Ihr Herumgscheitln nervt schon sehr, Herr Professor!

Rudolf Taschner mag in Mathematik und Physik kompetent sein, aber von der Praxis des Ethikunterrichts hat er keinen Schimmer.

Was der „Presse“-Querschreiber Rudolf Taschner in seinem jüngsten Ausritt gegen einen allgemein verbindlichen Ethikunterricht in Österreich von sich gibt, geht nicht auf die größte Turbokuhhaut. Nur weil einer in Mathematik und Physik kompetent ist, muss er deshalb noch lange nicht in allen möglichen philosophischen und pädagogischen Fragen geeicht sein.

Genau in diesen Gefilden darf sich Herr Taschner aber in der „Presse“ permanent als (scheinbare) Autorität gerieren. Dass er sich in seinem Artikel vom 7. Februar so ziemlich an allem stößt, was Ulrich Brunner in seinem Gastkommentar „Ethikunterricht: Die große Anmaßung der Religionen“ vom 4. Februar an grundsätzlichen Unterschieden zwischen dem konfessionell gebundenen Religions- und dem säkularen Ethikunterricht herausgearbeitet hat, ist kein Wunder, hält Taschner doch den Staat offenbar für die Inkarnation des Gottseibeiuns.

Selbst ernannter Lehrmeister

Dabei gibt der Herr Professor aber Dinge zum Besten, die zeigen, dass er von der Praxis des längst schon an über hundert gymnasialen Oberstufen eingeführten Ethikunterrichts nicht einen Schimmer hat. In diesem Fach (nur aus parteipolitischen Gründen wurde der Schulversuch nicht schon längst in ein reguläres Fach übergeführt!) wird von Ethiklehrerinnen und -lehrern, die eine vierjährige postuniversitäre Ausbildung genossen haben, selbstverständlich auch über religiöse Traditionen aller Art informiert, allerdings präsentiert aus einer Außenperspektive und nicht vereinnahmend, vergleichend und nicht Dogmen einimpfend.

Natürlich wird in diesem Unterricht auch nicht bloß „abstrakte Ethik“ behandelt, wie Taschner zu monieren beliebt, denn, stellen Sie sich vor, Herr Taschner, auch im Ethik- und nicht nur im Religionsunterricht stehen von „Wahrheiten“ geprägte Lehrerpersönlichkeiten! In zahlreichen, mitunter fächerübergreifenden praktischen Projekten oder bei der Behandlung moralischer Dilemmata kommt im Ethikunterricht mindestens so viel Praxisbezug ins Spiel wie im traditionellen Religionsunterricht.

Beinahe zum Schmunzeln regt die pädagogische Zukunftsperspektive des Mathematikprofessors und selbst ernannten ethischen Lehrmeisters an: Munter zurück will er nämlich zu einem verpflichtenden Religionsunterricht für alle, je nach religiöser Herkunft!

Der Rat an den Staat

Dass es in diesem Land mittlerweile „mehr als eine Million Menschen gibt, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, nach den Katholiken die zweitgrößte Gruppe“, hätte Taschner bei Ulrich Brunner nachlesen können – hätte er ihm nicht bloß unterstellen wollen, klischeehaft argumentiert zu haben. Da redet der Richtige!

Ab mit den ungläubigen Kids in den konfessionsgebundenen Religionsunterricht, so lautet Taschners Rat an den Staat. Dieser garantiere dann ja eh, „dass der Religionsunterricht im Geiste der Aufklärung und frei von missionarischem Beiwerk erteilt wird“. Ja, genau so schaut's aus, hat es immer schon ausgeschaut in einem Land, in dem die Kirche oder die muslimische Glaubensgemeinschaft selbst ihre Religionslehrer kontrolliert – und nicht etwa der staatlich bestellte Schulinspektor, der für alle anderen Fächer zuständig ist.

Rein religiöse Perspektive

Wie schon der Titel von Taschners Kolumne – „Wenn es um Lebensführung geht, gelingt es nie, Religiöses auszublenden“ – klarmacht, vertritt er darin eine ausschließlich religiös motivierte Perspektive. Sein gutes Recht, natürlich. Aber zu gscheiteln, ohne sich gescheit zu informieren, wenn man gegen den seit eineinhalb Jahrzehnten an österreichischen Schulen bewährten Ethikunterricht polemisiert – das nervt sehr, Herr Professor!

Mag. Franz Kabelka ist Schriftsteller und AHS-Lehrer, der seit Jahren auch das Fach Ethik am BG Feldkirch in Vorarlberg unterrichtet.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2013)

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