Aus für den Ethikunterricht?

Der Staat sollte eher für Fragen nach Lebensorientierung Geld ausgeben, anstatt fragwürdigen Modernisierungszwängen zu folgen.

Das Gezänk um den Ethikunterricht, in das sich auch nicht besonders kompetente Personen wie Rudolf Taschner eingeschaltet haben, scheint eine neue Nuance zu bekommen.

Die im damaligen Regierungsprogramm verankerte Absicht, den bisher nur in Schulversuchen und damit in der Schulautonomie liegenden Ethikunterricht zu einem regulären zu machen, ist zwar schon länger ins Stocken geraten, nunmehr scheint es aber, dass in verschiedenen Schulen eine eher österreichische Lösung angestrebt wird, die man, etwas verkürzt, als klammheimliches Abdrehen der bisherigen Aktivitäten bezeichnen könnte. Davon sind vor allem jene Schüler betroffen, die in diesem Fach maturieren wollten. Damit könnte auch der „nur“ als Schulversuch bestehende Ethikunterricht auf lange Sicht gefährdet werden.

Inzwischen gab es eine parlamentarische Enquete zum Ethikunterricht und eine Stellungnahme des zuständigen Ministeriums an das Parlament, in dem im Mai 2011 diese Enquete stattgefunden hatte. Dabei wurde in diesem im Oktober 2012 übermittelten Bericht Ethik als eigenständiger Pflichtgegenstand, als alternativer Pflichtgegenstand zum Religionsunterricht und als Lehrbestandteil eines Pflichtgegenstands geprüft. Vom BMUKK wurde sogar eine Richtlinie für die Matura vorgelegt.

Hohe Kosten

Wesentlich, und das scheint ja in dieser Debatte der Knackpunkt, ist die dabei erarbeitete Bandbreite der Kosten, die von 25 bis 90 Mio. Euro pro Jahr reicht. Unter Berufung auf diese Kosten scheint die derzeitige Bildungspolitik zu einer langfristigen Abschaffung des Ethikunterrichts zu neigen. Dass sich dabei die klare Nichterfüllung des Regierungsprogramms abzeichnet, ist man schon gewohnt.

Neben den Fetischen der derzeitigen Bildungspolitik, wie Lehrerdienstrecht, Neue Mittelschulen, Ganztags- und Gesamtschulen, scheint der Ethikunterricht tatsächlich jener berühmten einsamen Tante in bürgerlichen Familien zu gleichen, die zu Festtagen gern gesehen wird, sich sonst eher unauffällig verhalten sollte.

Nach jahrelangen Diskussionen auf Parteienebene, die nahezu in einem Kulturkampf ausarteten, waren sich plötzlich alle einig geworden, inklusive der Kirchen, die lange Zeit ein Ansteigen von Abmeldungen vom Religionsunterricht durch die Alternative Ethik befürchteten. Nachdem sich die Gemüter beruhigt hatten, die ÖVP ihre Bremserfunktion aufgegeben und diesen Ethikunterricht geradezu gefordert hatte, tat die Regierungspartei aus vermeintlichen budgetären Gründen nichts, um den Ethikunterricht zu etablieren.

Viele nicht christliche Schüler

Faktoren wie die stark angewachsene Zahl von Schülern nicht christlicher Konfession bzw. von Konfessionslosen, der zunehmende Bedarf an Ethik in Biologie, Medizin, Ökonomie und Technik scheinen hier wenig zu zählen. Die Säkularisierung unserer Gesellschaft, in der die Religionen das Monopol moralisch-ethischer Fragestellungen längst verloren haben, wird übersehen. Der gegenwärtige Boom, Ethik auf die Ebene von Schulversuchen und damit in die Autonomie der jeweiligen Schulen zurückzuschrauben, ist auch angesichts einer angespannten budgetären Situation unverständlich.

Ein Staat, der sich rühmt, jedes Schulzimmer mit PCs, Internet und Laptop ausstatten zu wollen, sollte eher für Fragen nach Lebensorientierung und Sinnzusammenhängen Geld ausgeben, anstatt fragwürdigen Modernisierungszwängen zu folgen. Wie sehr dieser Ethikunterricht von Jugendlichen akzeptiert wird, zeigen die bereits auf 200 angewachsenen Schulversuche in diesem Fach.

Univ.-Prof. DDR. Peter Kampits ist Leiter des Zentrums für Ethik und Medizin an der DUK Krems, Leiter des Zentrums für Ethik in den Wissenschaften in St. Pölten, Leiter des Lehrganges Ethik der Universität Wien.


Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2013)

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