Ein Wahlsonntag, der gleich mehrere Botschaften parat hat

Was Zeitungen meinen. Die Landtagswahlen in Niederösterreich und Kärnten fanden über die nationalen Grenzen hinaus Beachtung.

„Süddeutsche Zeitung“: Österreichs Wähler wollen Veränderung

München. „Spott oder Mitleid rief es meistens hervor, wenn zuletzt Kärnten in Österreich erwähnt wurde. Und wer aus Kärnten stammte, gab das bisweilen nur ungern zu oder musste sich in politischen Diskussionen einiges anhören über die Unreife einer Bevölkerung, die an einem überkommenen System festhalte. Korruption, miese Wirtschaftslage, eine hohe Abwanderungsrate, eine arrogante Politikerkaste: Das Bundesland kam aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Nun ist die rechtspopulistische FPK, die Jörg Haider einst großgemacht hatte, von den Wählern so massiv abgestraft worden, wie es ihre vielen Gegner kaum zu hoffen gewagt hatten; und die Erleichterung ist im ganzen Land zu spüren. Selbst wer mit den Rechten sympathisierte, räumte zuletzt ein, dass eine Abwahl der Haider-Erben dringend nötig war. Allerdings: Die Landtagswahlen in Kärnten und Niederösterreich beweisen nur, dass die FPK am Ende ist – nicht aber der Populismus, den auch diese Partei schamlos pflegte. Das zeigt das Wahlergebnis für das Team Stronach des austro-kanadischen Milliardärs Frank Stronach. (...) Was zeigt: Österreichs Wähler wollen Veränderung um jeden Preis und stimmen im Zweifel auch für neue Populisten.“

„Tiroler Tageszeitung“: Der Wählerauftrag: Kärnten auf soliden Kurs bringen

Innsbruck. „Italienische Verhältnisse, bei denen nach der Wahl noch mehr unklar ist als vorher, sind heuer offenbar nicht die Sache der österreichischen Wählerinnen und Wähler: Inklusive der Heeresvolksbefragung setzte es in den bisherigen drei Urnengängen glasklare Entscheidungen (...) ,Kärnten is a Wahnsinn‘ hieß einmal ein Werbeslogan, dem das südlichste Bundesland immer stärker nachzueifern schien, und das im negativsten Sinn. Kärnten hat wirtschaftlich und in einem Sumpf von Skandalen moralisch abgewirtschaftet (...) Es ist ein Auftrag für die nach Langem wieder führende SPÖ, aber auch alle anderen Parteien, Kärnten endlich wieder auf soliden Kurs zu bringen. In Niederösterreich wurde der bis in den letzten Winkel des Landes absolut regierende Landesfürst, Erwin Pröll, ein weiteres Mal bestätigt – trotz heftiger Kritik der gescheiterten Herausforderer und großer Zweifel an fragwürdigen Finanzstransaktionen der Landes-Hypo. Während andere schwarze Hochburgen wie Tirol, Bayern, Salzburg (möglicherweise heuer auch Südtirol) kräftig Federn lassen mussten, regiert Pröll weiter mit absoluter Mehrheit. Sein ohnehin nicht schwach ausgebildetes Selbstbewusstsein wird gestern nicht gelitten haben.“

„Salzburger Nachrichten“: Politiker wie Pröll wachsen nicht auf den Bäumen

Salzburg. „Faymann und Spindelegger werden höchstens von den allerloyalsten Kerntruppen ihrer Parteien für kanzlertauglich gehalten. Da diese allerloyalsten Kerntruppen in unserer Zeit der Wechsel- und Zufallswähler immer kleiner werden, werden auch die Wähleranteile der Parteien immer kleiner. Österreich könnte nach der Nationalratswahl ein Parlament drohen, das aus lauter Mittel- und Kleinparteien besteht. Wie unter diesen Voraussetzungen eine stabile Regierung gegründet werden soll, steht in den Sternen. Italien lässt grüßen. Der gestrige Sonntag zeigt: Wo es vertrauenswürdiges Personal gibt, wie in Niederösterreich, gibt es klare Mehrheiten. Wo dieses vertrauenswürdige Personal fehlt, ist es zur Krise der repräsentativen Demokratie nicht mehr weit (...) Zersplitterte Parlamente, schwache Regierungen, aktionistische Volksbefragungen statt konziser Regierungsarbeit: So droht die Politik 2013 und in den Folgejahren auszusehen. Denn Wahlgewinner wie Erwin Pröll wachsen nicht auf den Bäumen. Und schon gar nicht in den Parteiakademien.“

„New York Times“: Europas Wähler auf der Suche nach Protestventilen

New York. „Europa hat seine nächste aufstrebende Protestpartei, dieses Mal in Österreich, wo ein freigiebiger Milliardär und Auswanderer in seiner Heimat um Aufmerksamkeit ringt. (...) Nun, Herr Stronach hat womöglich in Österreich den richtigen Moment für seine Mischung aus wirtschaftsfreundlichen und gegen den Euro gerichteten Standpunkten gefunden. (...) Manche Protestparteien, wie die Piraten in Deutschland, sind so schnell verschwunden wie sie aufgetaucht sind. Aber Wähler auf dem ganzen Kontinent suchen offenbar nach neuen Repräsentanten und Stimmen, die sich von der üblichen Politik und der Korruption frei machen.“

„Kleine Zeitung“: ÖVP aus dem Tal der Tränen – wie war das noch 2008?

Graz. „ÖVP-Chef Michael Spindelegger sollte nicht in Autosuggestion verfallen und sich einreden, nach dem Doppeltriumph bei der Volksbefragung und in Niederösterreich sowie dem achtbaren Ergebnis in Kärnten habe die Volkspartei das Tal der Tränen verlassen. Wie war das 2008 noch? Kurz nach Prölls größtem Wahltriumph fuhr die Bundes-ÖVP ihre größte Niederlage ein. Ja, Strache hängt in den Seilen, dafür ist Stronach wie Phönix aus der Asche entstanden. Der Neo-Politiker setzt nicht nur Strache und Bucher zu. Auch Faymann und Spindelegger müssen zittern. Hält Stronach bis zum Herbst durch, werden sich SPÖ und ÖVP einen dritten Partner zum Regieren suchen müssen.“

„Dolomiten“: Ein kurioser Trivialpopulist sorgt für Ratlosigkeit

Bozen. „In Kärnten erlebten die regierenden Freiheitlichen mit ihrem Absturz von 45 auf 17,4 Prozent eine Ohrfeige der Sonderklasse. Landeshauptmann Gerhard Dörfler bekam die Rechnung für das ,System Haider‘ präsentiert – also für die Politik seines Vorgängers Jörg Haider, der das Land und seine Landesbank als Selbstbedienungsladen für Partei und Freunderlwirtschaft missbraucht hatte. (...) Der Beobachter aber bleibt ratlos zurück, wie ein merkwürdig Deutsch sprechender alter Herr, der die Hälfte des Jahres im Ausland verbringt und steuerschonend in der Schweiz wohnsitzt, mit Trivialpopulismus nicht nur der populistischen FPÖ, sondern allen Parteien Wähler wegknabbern kann.“

„OÖ Nachrichten“: Absolutistisch, trotzdem eine Ausnahmeerscheinung

Linz. „Dem Menschenfänger Erwin Pröll ist es tatsächlich gelungen, seine absolute Mehrheit in Niederösterreich eindrucksvoll zu verteidigen. Seit mehr als 20 Jahren ist er Landeshauptmann, regiert mit einer Mischung aus Charme, Schmäh und eiserner Härte, er alimentiert Freunde, aber wenn notwendig auch Gegner (...) Wer in diesen wechselhaften politischen Zeiten imstande ist, drei Mal in Folge die 50-Prozent-Marke zu übertreffen, ist – bei all seinen absolutistischen Allüren – eine politische Ausnahmeerscheinung.“

„Kronen Zeitung“: Jörg Haiders Geist und das reale Leben

Wien. „Frank Stronach hat bei seinem ersten Testlauf gezeigt, dass er zwar auf der politischen Bühne steht, aber noch nicht bei den ganz Großen mitspielt. (...) Richtig weh tut Stronach vorerst eher den Freiheitlichen. Das haben vor allem die Wahlen in Kärnten gezeigt. Dort wabert zwar noch Haiders Geist durchs Land, aber im echten Leben gibt es nur Strache, Graf und die Scheuch-Brüder.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2013)

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