Dass der Rektor der Med-Uni in Wien Oberösterreichs Pläne kritisiert, verwundert nicht: Der Standort bestimmt eben den Standpunkt.
Markus Hengstschläger hat seinen in dem „Presse“-Gastkommentar „Medizinische Fakultät in Linz – Ärztemangel hausgemacht“ (28.3.) geäußerten Standpunkt inzwischen insofern präzisiert hat, als er „nicht gegen eine Medizinfakultät in Linz“ ist. Von seinem Ko-Autor Wolfgang Schütz ist eine derartige Festlegung nicht zu erwarten.
Aus meiner Sicht ist das keine große Überraschung. Denn der Standort bestimmt den Standpunkt. Hier schwingt offensichtlich die Sorge um finanzielle Besitzstände mit, wenn es einen neuen Anbieter für die universitäre Medizinerausbildung gibt. In diesem Zusammenhang ist Rektor Schütz eingeladen, sich in Erinnerung zu rufen, dass auch seine Dotationen aus Steuergeld kommen, also ebenfalls Steuergeld aus Oberösterreich.
Eine Studie im Auftrag des Instituts Wirtschaftsstandort Oberösterreich (Friedrich Schneider und Markus Holzinger) hat ergeben, dass Oberösterreich unter den neun Bundesländern zu den stärksten Nettozahlern zählt. Von einem Steuereuro nach Wien kommen nur 46 Cent zurück nach Oberösterreich. Dabei handelt es sich nicht um das Geld der Landesregierung, schon gar nicht um „mein“ Geld, sondern um die Steuerleistung aller Landesbürger, die zu Recht eine gute Versorgung mit Medizinern im Land erwarten.
Rechtzeitig gegensteuern
Genau diese ist aber in Gefahr, wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern. Es droht eine Entwicklung dahingehend, dass im Jahr 2035 in Oberösterreich 1150 Fachärzte fehlen werden. Durch eine Medizinfakultät in Oberösterreich kann dieser Fehlbedarf nicht sofort gedeckt werden, er würde sich aber nach den Berechnungen der Landesstatistiker ab dem Jahr 2029/2030 schrittweise spürbar verringern.
Insgesamt bringt eine Medizinfakultät neue Chancen für den Forschungsstandort Österreich, aber auch für das heimische Gesundheitssystem. Der geplante Forschungsschwerpunkt „Versorgungsforschung“ mit seiner Fokussierung auf Patienten und ihre Bedürfnisse wird ganz konkret zur immer wieder geforderten Verbesserung des Arzt-Patientenverhältnisses und damit zur Qualität der medizinischen Versorgung beitragen. Das gilt auch für den Schwerpunkt „Klinische Altersforschung“, der eine Antwort auf eine der größten Herausforderungen unserer Gesellschaft darstellt.
Steigerung der Attraktivität
Die gewählten Forschungsschwerpunkte „Versorgungsforschung“ und „Klinische Altersforschung“ eignen sich aber auch für Forschungskooperationen mit bestehenden medizinischen Universitäten in Österreich und für die Gewinnung internationaler Partner.
Wie auch durch Gutachten belegt wäre die Johannes Kepler Universität mit der vorliegenden Konstruktion in Fragen der interfakultären Kooperation und der Querschnitt-Schwerpunktsetzung an einer medizinischen Fakultät im deutschsprachigen Raum führend. Auch das trägt zur Steigerung der Attraktivität des Forschungsstandorts Österreich bei.
Natürlich ist mir aber bewusst, dass wir Oberösterreicher mit der Forderung nach einer eigenen Medizinfakultät bei anderen Standorten keine Begeisterungsstürme auslösen. Für uns ist das nichts Neues. Als wir Anfang der 1960er-Jahre die Schaffung einer eigenen Landesuniversität gefordert haben, ist uns von der Rektorenkonferenz ausgerichtet worden, dass dafür kein Bedarf bestehe.
Heute, in einer Wissensgesellschaft, haben wir allen weitblickenden Verantwortungsträgern, die sich damals in dieser Frage durchgesetzt haben, zu danken.
Dr. Josef Pühringer (*1949 in Linz) ist seit 1995 Landeshauptmann von Oberösterreich.
E-Mails an: debatte@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2013)