Vom richtigen Umgang mit den Nordkoreanern

Das Regime von Kim Jong-un verhält sich wie eine Terrorgruppe, die Südkorea als Geisel nimmt und gleichzeitig ausländische Unterstützung fordert, um das Herrschaftssystem aufrechtzuerhalten. Aber mit Terroristen verhandelt man nicht.

Seit Wochen droht das Regime von Kim Jong-un der Republik Korea, Japan und den USA mit militärischen Schlägen, und alle Welt fragt sich, ob es tatsächlich einen Krieg anzetteln will? Um diese Frage zu beantworten muss versucht werden, den Motiven für Nordkoreas Drohgebärden auf den Grund zu gehen.

Dem Regime in Pjöngjang geht es vor allem darum, die eigene Bevölkerung unter Spannung zu setzen, sie dadurch von ihrer Unzufriedenheit abzulenken und so den inneren Zusammenhalt zu stärken. Nur so, glaubt Machthaber Kim Jong-un, kann er stabil regieren. Kim versprach seinen Landsleuten bei seiner Machtübernahme eine Verbesserung der Wirtschaft und ihres Lebensstandards. Es gab einige Ansätze dazu, aber keine sichtbaren Verbesserungen.

Die Drohung mit Atomwaffen

Im Gegenteil: Durch die Weiterentwicklung von Massenvernichtungswaffen wurden zusätzliche internationale Sanktionen gegen Nordkorea verhängt, und die Wirtschaftslage hat sich offenbar weiter verschlechtert.

Das Aufbauschen eines äußeren Feindes ist eine alte Methode von Diktaturen, um den inneren Zusammenhalt zu festigen. Mit der Drohung eines Atomkrieges aber wird die Situation zusätzlich extrem angespannt. Dadurch soll die Nordkorea-Politik der Regierung in Seoul beeinflusst und eine Lockerung der Sanktionen der Weltgemeinschaft erreicht werden.

Durch das Schüren von Kriegsangst soll die Welt von all ihren Bemühungen, Nordkorea zu entnuklearisieren, abgebracht werden, die internationalen Strafmaßnahmen gegen Nordkorea sollen zurückgenommen werden.

Ein Land, das sich auf den Krieg vorbereitet, wird wohl auch mit dem Gedanken spielen, diesen Krieg zu gewinnen. Aber Nordkorea mit seinen veralteten Streitkräften könnte den Kampf allein nie wagen – außer in selbstmörderischer Absicht. Südkorea und die USA pflegen auch militärisch sehr enge Beziehungen und treten der Bedrohung gemeinsam entgegen.

Die Volksrepublik China, der einzige Bruderstaat Nordkoreas, befindet sich nach dem Machtantritt von Xi Jingping in einer wichtigen Übergangsphase. Ein Krieg auf der benachbarten koreanischen Halbinsel, in dem Chinas Hauptrivale USA eine wichtige Rolle spielen würde, wäre für Peking unerträglich. Aber auf sich allein gestellt könnte Nordkorea einen Krieg gegen Südkorea und die USA niemals gewinnen.

Wenn die Weltgemeinschaft aber nicht so auf die Drohgebärden reagiert, wie Nordkorea erwartet: Kann Pjöngjang, wie schon bei früheren Gelegenheiten, einen begrenzten Angriff, weitere Raketenstarts und Cyber-Attacken wagen?

Gewohnter Alltag in Südkorea

Die Regierung in Seoul hat sich für alle möglichen Konfliktszenarien vorbereitet, bewahrt kühlen Kopf. Auch in Südkoreas Bevölkerung gibt es weder Fluchtwellen ins Ausland noch das Horten von Lebensmitteln und dergleichen. Der Alltag geht den gewohnten Gang.

Auch wenn es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Nord und Süd kommen sollte, wird kein umfassender Krieg die Folge sein. Bleibt die Frage, wieso die Lage auf der koreanischen Halbinsel gerade jetzt so angespannt ist und Pjöngjang so massiv droht. Immerhin stehen sich die beiden Koreas schon seit über 60 Jahren feindselig gegenüber.

Festhalten an Atomwaffen

Es geht um Nordkoreas Atomwaffen. Seit dem Kollaps des Ostblocks hat das nordkoreanische Regime die Entwicklung von Kernwaffen vorangetrieben. 20 Jahre wurde verhandelt, um Pjöngjang vom Erwerb solcher Waffen abzuhalten – vergeblich. 2006, 2009 und im Februar dieses Jahres testete das Regime Atomwaffen und führte Versuche mit Langstreckenraketen durch.

Pjöngjang gibt jetzt vor, die Entwicklung seiner Atomwaffen und Interkontinentalraketen sei abgeschlossen, erwähnte bereits mögliche Angriffe auf die amerikanische Westküste. Damit versuchte das Regime, seine Drohungen zu maximieren, und indoktriniert die eigene Bevölkerung mit der Vorstellung, Nordkorea sei eine Atommacht, die von den USA nicht so leicht angegriffen werden könne. Der Aufbau der kriegerischen Drohkulisse bedeutet auch, dass Nordkorea wohl nie mehr auf eigene Atomwaffen verzichten wird. Ende März wurde bei der Obersten Volksversammlung der KP eine Strategie zum Ausbau des Atomwaffenpotenzials ebenso wie eine zur Forcierung des Wirtschaftswachstums beschlossen.

Bei der Erklärung des Geschehens darf man auch die Mentalität und Denkweise der Führung in Pjöngjang nicht außer Acht lassen. Sie sieht sich selbst als Regierung, die aus der Partisanenbewegung gegen die japanischen Besatzer entstanden ist. Terror und Guerillamethoden mögen vor langer Zeit situationsbedingt ihre Berechtigung gehabt haben. Aber ein Land, das sich als „Republik“ bezeichnet und Mitglied der UNO ist, darf solche Methoden nicht anwenden.

Also reden sich die nordkoreanischen Machthaber und das Militär ständig ein, ein schwaches Land dürfe ein starkes Land schamlos betrügen. Entsprechend finden sie nichts dabei, einmal gegebene Versprechen neu zu interpretieren und zu brechen – wenn es Nordkorea nützt. Solange Kim Jong-un also weiter dieser „Revolutionsregierung“ vorsitzt, werden die internationalen Rechtsbrüche fortgesetzt werden.

Nordkorea verhält sich wie eine Terrorgruppe, die Südkorea als Geisel nimmt, gleichzeitig aber Unterstützung fordert, um das bestehende Herrschaftssystem aufrechtzuerhalten. Aber man verhandelt nicht mit Terroristen, die Geiseln genommen haben. Deshalb: Solange Nordkorea andere Staaten bedroht, darf nicht mit Pjöngjang verhandelt werden.

Krise wird bis Juli weiterschwelen

Auch wenn es noch zu ernsten Zwischenfällen kommen sollte, dürfen Südkorea und die Weltgemeinschaft nicht so reagieren, wie Pjöngjang es von ihnen erwartet. Insofern war es auch richtig von den ausländischen Botschaften in Pjöngjang, dem Drängen des Regimes, die Diplomaten abzuziehen, keine Folge zu leisten.

Zu hoffen ist, dass die Welt zusammenhält und dem Regime in Nordkorea klarmacht, dass es durch Angriffe und Störung des Friedens nichts erreichen wird und einen hohen Preis dafür wird zahlen müssen. Die jetzige Krise könnte sogar bewirken, Nordkorea nach einer scharfen Lektion als ein normales Mitglied in die Staatengemeinschaft zu reintegrieren.

Zunächst ist aber damit zu rechnen, dass die jetzige Krise bis Juli weiterschwelen wird. Am 27.Juli begeht Nordkorea das 60. Jubiläum des sogenannten Siegestages. Pjöngjang spitzt auch darauf, mit den USA endlich einen Friedensvertrag abschließen zu können. Freilich ist unvorstellbar, dass ein dauerhafter Frieden durch Gewalt und Drohungen erreicht wird.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2013)

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