Heinisch-Hoseks Liebäugeln mit dem Zwangssystem DDR

Während vermehrt neue Arbeitsmodelle überlegt werden, will die Politik zeitlich ausgelastete junge Mütter in den Vollerwerb treiben.

Ich gebe es zu: Ich habe ein ambivalentes Verhältnis zum Muttertag. Sicher, es ist süß und rührend, wenn einem sein Kind Blümchen schenkt und ein Gedichtlein aufsagt. Aber einerseits wurde der Muttertag in der Nazi-Zeit arg missbraucht, und dann ist da auch noch das persönliche Trauma, als ich als Achtjährige am Muttertag besonders hilfreich sein wollte und den Tag im Krankenhaus beendete.

Dennoch ist es ein Tag, an dem Muttersein einmal positiv bewertet wird. Sonst hört man stets von Politikern, wie das Mütterproblem – also die Tatsache, dass Frauen Kinder haben oder bekommen könnten – zu lösen sei.

Sowohl SPÖ als auch ÖVP geht es dabei in erstaunlicher Einigkeit vor allem um eines: Wirtschaftswachstum. Was das mit Kindern zu tun hat? „Mehr Frauenerwerb bedeutet Wirtschaftswachstum“ – das ist die Formel, auf die es kürzlich Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Sozialminister Rudolf Hundstorfer brachten.

Die logische Folgerung: Alle Frauen in Vollerwerb und deren Kinder ab einem(!) Jahr in die Krippe – ganztags natürlich. Denn wenn Frauen heiraten und Kinder bekommen, seien sie extrem armutsgefährdet, weil ja die Scheidungsrate so hoch ist.

Kinder – ein Armutsrisiko

Statistisch gesehen sind Kinder ohnehin ein Armutsrisiko, auch in intakten Ehen. Und sie behindern und gefährden die „Karriere“. Und Hausfrau als Beruf geht gar nicht, auch nicht für einige Jahre, also bloß keine „Herdprämie“! So die Argumentationskette, die wir uns seit Jahrzehnten anhören müssen.

Das wahre Problem liegt aber ganz woanders: Es haben sicher viele Frauen schon erlebt, dass sie nach erfolgreicher Ausbildung vom künftigen Arbeitgeber nicht nach ihrer Qualifikation, sondern nach ihrer Familienplanung gefragt wurden. Sagt sie, dass sie unbedingt Kinder haben möchte, kann sie den Job gleich wieder vergessen. Wohlgemerkt: Da hat sie noch gar keine Kinder!

Hat sich ein junges Paar aber trotz aller Warnungen vor Armut etc. doch dazu entschlossen, Kinder zu haben, geht es erst richtig los! Selbst bei kurzer Karenz von nur einigen Monaten verliert die junge Mutter meist ihren schwer erkämpften Führungsposten und kann wieder weit unten beginnen.

Beabsichtigt gar der Vater eine Zeit lang in Karenz zu gehen, verzeiht ihm das sein Arbeitgeber noch weniger. Ich kenne etliche Fälle, in denen diesen Vätern unter einem anderen Vorwand sogar gekündigt wurde!

Es erstaunt daher, dass sich so viele junge Paare heute immer noch entschließen, eine Familie zu gründen. Das tun sie gewiss nicht, um dann den heiß ersehnten Nachwuchs nach einem Jahr bereits den ganzen Tag über in Fremdbetreuung zu geben. Teilzeit arbeiten sollen sie ja nicht, wegen der „Armutsfalle“. Ihnen blieben dann nur die „undankbaren“ Seiten ihrer Kinder: Sie zu versorgen, zu ernähren, schlafen zu legen und im Krankheitsfall zu pflegen.

Ach ja, krank werden sollten die Kinder auch nicht oder maximal eine Woche pro Jahr. Denn nur für diesen Zeitraum gibt es den Anspruch auf (bezahlten) Pflegeurlaub. Da aber kleine Kinder, wenn sie die Krippe oder den Kindergarten besuchen, wesentlich öfter und länger krank sind, haben die Eltern ein Problem.

Kinderärzte berichten von verzweifelten Eltern, die sie um starke Medikamente bitten, damit ihr Kind rasch wieder „fit“ ist. Zeit, ihr Kind in Ruhe zu Hause zu pflegen, haben sie nicht oder besser, man lässt sie ihnen nicht. So opfern wir nicht nur die schönste Zeit mit unseren Kindern auf dem Altar des „Wirtschaftswachstums“, sondern auch noch ihre Gesundheit.

Das Modell Schweden

Wenn ich Frau Heinisch-Hosek richtig verstanden habe, dann plädiert sie für das „System DDR“. Auch dort hat man die Frauen bald nach der Geburt von ihren Kindern befreit, um diese in staatlichen Einrichtungen zu erziehen. Die Frauen konnten ungehindert in die Fabriken strömen und am Aufbau der DDR mitwirken.

Meiner Erinnerung nach hat das System nicht funktioniert. Und die ehemals zwangsbeglückten Kinder berichten heute nicht viel Positives davon.

Wieso will heute der Staat Kompetenzen an sich ziehen, die er ohnehin nicht erfüllen kann? Es mangelt ja jetzt schon an Plätzen für die Dreijährigen, und für Einjährige braucht es eine noch viel intensivere und damit teurere Betreuung. Und wieso will die Politik überhaupt in ein System à la DDR investieren, wenn es wesentlich erfolgreichere und menschenfreundlichere Modelle gibt?

Nehmen wir etwa Schweden, das müsste einer SPÖ-Politikerin doch sympathisch sein: Kinder zu haben ist dort selbstverständlich, Erwerbstätigkeit ebenso und dass Mutter und Vater an der Erziehungsarbeit mitwirken. Wie das geht? Sicher nicht, indem der Staat vorschreibt, ab wann Kinder außer Haus betreut werden müssen und wie sich Eltern organisieren.

Familienfreundliche Arbeitswelt

Eine moderne Arbeitswelt sieht anders aus. Da gibt es Betriebskindergärten, attraktive Teilzeitmodelle für Väter und Mütter bis in die Chefetagen (also keine „Armutsfalle“). Einer Mitarbeiterin, die eine Schwangerschaft anmeldet, wird nicht mit Entsetzen und Ablehnung begegnet, sondern mit Unterstützung.

Ebenso ergeht es Vätern. Es gibt Angebote für flexible Arbeitszeiten, Vertretungen im Pflegefall sind kein Problem. Es kann auch von zu Hause aus gearbeitet werden – im Gegensatz zu DDR-Zeiten gibt es mittlerweile Handy, Laptop und Internet. Insgesamt bewertet der Arbeitgeber Elternschaft positiv als wichtige Lernerfahrung in Zeitmanagement und sozialer Kompetenz.

Leider ist das bei uns noch – bis auf wenige Ausnahmen – lange nicht Realität. Interessanterweise gilt nur die Kinderkarenz als karrierehemmend. Bildungskarenz hingegen wird wohlwollend aufgenommen. Vielleicht sollten das Personalchefs einmal überdenken!

Es ist paradox: Während vermehrt neue Arbeitsmodelle, Auszeiten und Sabbaticals überlegt und schon genutzt werden, will die Politik ausgerechnet zeitlich ausgelastete junge Mütter in den Vollerwerb treiben und damit überfordern. Das nährt den Verdacht, dass es dabei vor allem um Macht und Kontrolle und der Wirtschaft um billige Arbeitskräfte geht und nicht um das Wohl der Frauen.

Eltern sollen selbst bestimmen

Vereinbarkeit von Beruf und Familie lässt sich nicht realisieren, indem Politiker verordnen, wann und für wie lange Kinder wo abzugeben sind. Das ist ein unzulässiger Eingriff in die persönliche Lebensgestaltung. Eltern sollen selbst bestimmen, was für ihre Kinder das Beste ist, wie sie ihr Familien- und Berufsleben gestalten wollen.

Staatliche Zuschüsse allein werden sicher nicht bewirken, dass Paare Kinder bekommen. Aber Staat und Wirtschaft müssen es jungen Paaren ermöglichen, ihren Kinderwunsch zu verwirklichen, müssen Kindern gegenüber positiv eingestellt sein und dürfen Paare nicht daran hindern, Kinder zu bekommen.

Zur Autorin


E-Mails an: debatte@diepresse.com

Dr. Gudula
Walterskirchen
ist Historikerin und Publizistin. Nach einigen Jahren als Redakteurin bei der „Presse“ arbeitet sie nun als freie Journalistin. Sie ist Autorin mehrerer erfolgreicher Sachbücher. Kürzlich erschien im Residenz-Verlag „Der kleine Franzi war ein wenig unartig – Hofdamen der Habsburger erzählen“. [Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2013)

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