Trotz der Finanzkrise: Der Euro trennt nicht, er verbindet

Europas gemeinsame Währung ist nicht an allem schuld, was ihr angedichtet wird. Aber so manchen dient sie als emotionaler Blitzableiter.

Ulrich Brunners Argumentation in seinem Gastkommentar („Die Presse“, 13.5), wonach der Euro das Wirgefühl der Europäer stark beschädigt habe, ist nicht stichhaltig. Das Gegenteil ist der Fall: Die gemeinsame Währung verbindet.

Trotz Finanzkrise sind konstant zwei Drittel der Österreicher der Ansicht, dass der Euro langfristig Bestand haben wird. Eine Rückkehr zum österreichischen Schilling ist für die große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung keine realistische Option.

Im Herbst 2012 sprachen sich in einer Umfrage der Gesellschaft für Europapolitik 76 Prozent der Befragten dafür aus, den Euro als Währung zu behalten; 17 Prozent möchten zum Schilling zurückkehren. Das Meinungsforschungsinstitut GfK Austria kommt in einer aktuellen Befragung zu einem ähnlichen Ergebnis.

Instrument der Identität

Darüber hinaus ist für 52 Prozent der Österreicher laut einer Eurobarometer-Umfrage vom Juni 2012 der Euro das wichtigste Element einer europäischen Identität, noch vor den europäischen Werten Demokratie und Freiheit.

Der Euro ist auch nicht an allem schuld, was ihm so angedichtet wird. Trotzdem muss er anscheinend als emotionaler Blitzableiter für Integrationsprobleme und mangelhaftes EU-Krisenmanagement herhalten.

Dabei deckt die Währung maximal Probleme auf und zeigt auch Fehlentwicklungen auf. Korrigieren aber kann man diese nur durch eine gemeinsame Wirtschaftspolitik. Ein etwaiger Ausstieg aus der gemeinsamen Währung und Abwertung einer eigenen Währung gegenüber dem Euro ist folglich alles andere als ein Geheimrezept gegen Strukturprobleme.

Nicht der Euro bereitet Probleme, sondern der „wirtschaftspolitische Fleckerlteppich“, die nicht ausreichend angepassten Lohnbildungsprozesse und die nicht selten konkurrierenden – und oft kurzsichtigen – nationalstaatlichen Interessenlagen.

350.000 zusätzliche Arbeitsplätze

Die bisherige ökonomische Bilanz der Währungsunion kann sich – aus österreichischer Sicht – jedenfalls sehen lassen. Die Preise sind stabil, und die Wechselkursstabilität hat den Export gewaltig gefördert. Die bisherigen Wachstumszahlen bestätigen dies.

Seit 1999 verzeichnet Österreich einen Leistungsbilanzüberschuss. Im Zuge dessen wurden hierzulande 350.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, die Exporte in den Euroraum sichern eine halbe Million Arbeitsplätze in Österreich ab. Die wirtschaftspolitische Verflechtung lässt Europa zusammenwachsen, und der Euro unterstützt diese Entwicklung.

Letztlich ist die EU aber weit mehr als ein ökonomisches Projekt – und nicht jeder Ökonom, der sich medial vordrängt, ist auch ein namhafter. Die EU ist alles andere als ein perfekter Verbund, aber ein besserer existiert nun einmal nicht. Auch ihre kulturelle Vielfalt wird durch eine gemeinsame Währung nicht beeinträchtigt. Sich vermeintlicher „kultureller Unterschiede“ als Motiv zu bedienen, um die mangelhafte Umsetzung fiskalpolitischer Vorgaben zu erklären, ist jedenfalls zu simpel. Oder hat etwa Deutschland stets den Stabilitäts- und Wachstumspakt eingehalten?

Die EU als work in progress

Gerade Österreich – auch die anderen EU-Länder – sollte sich daran erinnern, wie sehr es von einem stabilen Europa profitiert. Die EU ist work in progress. Wir sind Teil davon und sollten uns an ihrer Weiterentwicklung aktiv beteiligen.

Paul Schmidt (*1975 in Wien) ist seit 2010 Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2013)

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