Homosexuelle Paare und Kinder – das ist kein Widerspruch

Dass Aufwachsen mit gleichgeschlechtlichen Eltern zu Identitätsstörungen bei Kindern führt, gehört ins Reich der Mythologie.

Ein gewünschtes und geliebtes Kind zu sein, ist der beste Garant für körperliche und seelische Gesundheit. Die Psychoanalyse, als „das immer noch intellektuell befriedigendste Bild des menschlichen Geistes“, wie der Nobelpreisträger Eric Kandel formulierte, konnte diese alte Weisheit bestätigen. Aber: Dieses Glück wird keineswegs allen Kinder zuteil – aus den unterschiedlichsten Gründen –, auch nicht zwingend jenen Kindern, die mit Vater und Mutter in einer „intakten“ Familie aufwachsen.

Welches sind die Bausteine dieses Glücks? Woher bezieht ein geliebtes Kind seine innere Kraft, Selbstvertrauen, ein sicheres Ruhen in seiner Identität – das heißt der Vorstellung, ich bin und werde immer dieser Bub, immer dieses Mädchen sein? Woher beziehen glückliche Kinder die Fähigkeit, stabile Beziehungen zu wichtigen anderen aufzubauen?

Das „gute innere Bild“

Ein wirklich geliebtes Kind darf den körperlichen und psychischen Abstand zu anderen Personen selbst bestimmen, es wird ermutigt Gefühle zu äußern: Angst, Freude, Trauer, Wut... Das hilft, ein überwiegend „gutes inneres Bild“ von der wichtigsten Bezugsperson aufzubauen – das Geschlecht dieser Person ist dabei irrelevant.

Dieses „gute innere Bild“ hilft, sich nicht verlassen zu fühlen, auch wenn man allein ist. Der diesem Kind entgegengebrachte Respekt vor seinem Körper wird ebenso in das Innere der Psyche integriert und zu einer Selbstverständlichkeit.

Dies alles sind die Bausteine einer integrierten Identität, einer Sicherheit im eigenen Selbst. Die weiteren Entwicklungsschritte bauen darauf auf. Die pubertären, hormonell induzierten Veränderungen des Körpers und damit auch des Bildes vom eigenen Körper stellen eine Herausforderung dar, die zusammen mit den anderen Anforderungen der Adoleszenz bewältigt wird. Ein geliebtes und gewünschtes Kind erfährt dabei Unterstützung durch die liebevolle Zuwendung und die sozialen Qualitäten seiner wichtigsten Bezugspersonen.

Nicht alles ist machbar

Wir kennen Personen mit Identitätsdiffusion, die in intakten Familien mit Mutter und Vater aufgewachsen sind. Die Behauptung, dass Aufwachsen mit gleichgeschlechtlichen Eltern zwingend zu Identitätsstörungen bei Kindern führt, gehört somit ins Reich der Mythologie.

Der Kinderwunsch und die wünschenswerten Fähigkeiten und Qualitäten im Umgang mit Kindern sind keineswegs an die heterosexuelle Orientierung gebunden. Der biologischen Elternschaft sind Grenzen gesetzt: Vieles, aber nicht alles ist medizintechnisch machbar. Für eine soziale Elternschaft gibt es diese Grenzen nicht.

Leider behandeln viele biologische Eltern ihre Kinder keineswegs entsprechend der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Auch das Kindeswohl wie im § 138 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch („Kindeswohl“) festgehalten, ist oft keineswegs garantiert.

Die Möglichkeiten ausloten

Eine pluralistische Gesellschaft in einer funktionierenden Demokratie muss gesetzliche Möglichkeiten ausloten, um jenen Kindern, deren biologische Eltern die Kinderrechte nicht wahren und das Wohl des Kindes – aus welchen Gründen auch immer – nicht garantieren, Geborgenheit zu ermöglichen. Die Adoption des biologischen Kindes des Partners in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung stellt auch eine Möglichkeit dar.

Univ. Prof. Dr. Marianne Springer-Kremser (*1940 in Wien) ist Psychiaterin und Psychoanalytikerin. Sie ist Mitglied der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2013)

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