Der Wiener Steuerzahler lebe hoch – und lang!

Gastpolemik. Ein Brief an Lord Mayor Häupl. Im höchsten Maße eindrucksvoll, wie es das Stadtoberhaupt versteht, Wahlkampfbeiträge als amtliche Mitteilungen zu tarnen und diese aus dem Budget – also vom Viennese taxpayer – bezahlen zu lassen.

Dear Mister Lord Mayor Häupl!

Es freut mich aufrichtig, dass unsere Zusammenarbeit wiederbelebt worden ist und ich gerade einen gedruckten Arbeitsplan derselben in der Hand halte. Bedauerlicherweise gab es in der letzten Zeit einige Unstimmigkeiten zwischen uns, weil wir aufgrund der most unfortunate laws zur Begrenzung von Wahlkampfverboten und den Bilderverboten für Informationsaktivitäten der Ministerien einen Gewinneinbruch befürchten mussten, an absolute no-go for a profit-making organization.

Umso beeindruckter war ich daher, zu sehen, wie Ihre City es geschafft hat, nicht nur alle Einschränkungen souverän zu umgehen, sondern die Kosten für Ihren speziellen Wahlkampfbeitrag auch noch zur Gänze dem Viennese taxpayer umzuhängen.

Amtliche Wahlwerbung

Wahlwerbung als „Amtliche Mitteilung. FAIRmieten? Ein Service der Stadt Wien“ zu betreiben – samt Jugendfoto von Ihnen und von Mister Ludwig, indem man das Ganze als Wiens „größte Wohnbefragung“ camoufliert, this is really impressive. Ein scheinbar neutraler Fragebogen, der vermeintlich (fast) nur Fakten erhebt: Wer wollte da Einwände erheben? Nun gut, halt ein paar unverbesserliche Nörgler und Leute, die etwas von Befragungen verstehen, und sei es nur auf dem Niveau eines undergraduates.

Gewiss, schriftliche Befragungen an alle „in Wien Wohnenden, die wahlberechtigt sind“ (die nicht Wahlberechtigten werden natürlich nicht gefragt, weil sie definitionsgemäß nicht wählen), eignen sich nicht zum Erfassen von repräsentativen Daten, sondern nur zum Gewinnen von Meinungsäußerungen von den am zu propagierenden Thema Interessierten und zum späteren „Nachfassen“ – über Medien und Briefe.

Jedenfalls haben Sie amtlicherseits kurz vor den Nationalratswahlen Ihr Thema in aller Munde gebracht und noch dazu die Möglichkeit erhalten, all jenen, die geantwortet haben (egal, was), ganz kurz vor den Wahlen noch einen reminder zukommen zu lassen. Denn wer wird schon die Frage 11 – „Soll sich Wien noch stärker dafür einsetzen, dass die Mietpreisberechnung und das Mietrecht transparenter werden?“ – mit „eher“ oder „sicher nicht“ beantworten, vor allem, wenn er oder sie zwei Seiten vorher die Horrorstorys über private Vermieter lesen durfte?

Wien ist wirklich anders

Am allerschönsten ist eben, dass amtliche Mitteilungen aus dem Budget, und damit vom Steuerzahler, bezahlt werden. Das Wort SPÖ kommt ja nicht vor. Zugegeben, ich hatte zunächst ein wenig Bauchweh. Denn hätten wir das anderswo, beispielsweise in der Schweiz oder in den USA versucht, so hätten uns die aufgebrachten Bürger geteert und gefedert oder zumindest mit nassen Fetzen aus der Stadt gejagt. Aber, Sie hatten völlig recht: „Wien ist anders.“

Hilfreich war da gewiss auch, dass jene Partei, die in anderen Bundesländern, und früher auch in Wien, die Verschwendung von öffentlichen Geldern lautstark kritisiert hat, inzwischen in der Stadtregierung sitzt und selbst die Vorzüge der Verwendung von Steuergeld für Eigenwerbung entdeckt hat und auch munter ausnützt.

Die Idee von Stadträtin Vassilakou, um zehn Millionen Euro Radwege grün einfärben zu lassen, hat natürlich nichts mit ihrer Parteifarbe zu tun, sondern nur mit dem Mangel an verfügbaren Farben. Selbst die meisten Medien haben sich nicht besonders aufgeregt. Freilich ist diese Idee noch ausbaufähig, vernachlässigt sie doch – politisch inkorrekt – das Informationsbedürfnis von farbenblinden Radfahrern.

Faymanns Schulterschluss

Das ist ein unerträglicher Akt der Diskriminierung, der umgehend durch eine akustische Informationsoffensive beseitigt werden muss: durch Beschallung aller Radwege mit der Nachricht, dass diese nun dank der Bemühungen der Stadträtin grün sind, zur besseren Merkbarkeit untermalt mit passenden Musiknummern (The Green Green Grass of Home, Es grünt so grün... usw.). Auch das wird ein paar Millionen kosten (unser Honorar noch gar nicht eingerechnet). Aber erstens haben alle Bürger ein Recht auf Information. Zweitens kommt kein Parteilogo vor. Und drittens soll der Viennese taxpayer nicht nur sehen, sondern auch hören, was mit seinen Euros passiert.

Auch on the national level haben unsere Bemühungen inzwischen Früchte getragen, insbesondere, was den Schulterschluss von Chancellor Faymann mit der „Kronenzeitung“ betrifft.

Noch im Sommer das österreichische UNO-Kontingent vom Golan abzuziehen ist natürlich nur der Sorge um das Wohlergehen der Soldaten in Wahlzeiten geschuldet. His Master's Voice, the Minister of Defense, ist natürlich Klug und ein Fan der Arbeitsteilung in der Regierung: Er zieht die Soldaten sofort ab, die Nebensächlichkeiten wie der Bruch des Vertrages mit den Vereinten Nationen, das angerichtete Chaos und internationale Erklärungen aber fallen in die Kompetenz des ÖVP-geführten Außenministeriums. Die ÖVP konnte gar nicht dagegen sein, sitzt ihr doch Scheck der Hinrichtung einer ÖVP-Außenministerin auf dem medialen Boulevard vor fünf Jahren noch in den Knochen.

Auch die anderen Parteien haben mitgezogen: Die Grünen haben ohnedies eine genetische Abneigung gegen Bewaffnete, die Blauen wollen das Bundesheer lieber an der Ostfront sehen, und Stronach kann jedem Heimkehrer eine Sachertorte mit Ahornsirup aus eigener kanadischer Produktion schenken.

Weißrussland oder Nordkorea?

Zuletzt noch ein personal proposal. Ihre Zeit als Lord Mayor of Vienna neigt sich dem Ende zu, und wir finden, dass ein politisches Talent auch später genützt werden soll. Wir würden Sie gern als consultant engagieren, naturally on the international level.

Leider ist Kasachstan mit sozialdemokratischen Ex-Politikern (von Gusenbauer bis Blair, Schröder bis Prodi) schon ausreichend versorgt, so dass wir momentan nur Weißrussland oder Nordkorea anbieten können. Sicher, die Qualität der dortigen Hotels und Weine ist nicht optimal, aber wenn Sie die richtigen Ratschläge geben – etwa wie man das Volk zu den Ideen des geliebten Führers befragt –, ist Ihnen beim Maiaufmarsch ein Platz auf der Ehrentribüne sicher. Da werden Sie sich ganz heimisch fühlen.

In Erwartung Ihrer geschätzten Antwort verbleibe ich
Yours sincerely, Dr. Spin
Redvalley Consultation. A Special Branch of Greenberg Associates. Your Specialist for Abysmal Politics
Desolation Road, Down Under

PS: Bitte verwenden Sie für unsere Kommunikation in Zukunft die gute alte snail mail, und vermeiden Sie elektronische Kontakte! Die NSA wäre mir ja egal, aber die könnte die Daten an das Finanzamt in Down Under weitergeben.

Zum Autor


E-Mails an: debatte@diepresse.com

Peter A. Ulram ist Dozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien und Geschäftsführer
von Ecoquest. Ecoquest ist ein neues Institut für Markt- und Meinungsforschung, Analyse und Consulting in den Bereichen Wirtschaft, Einzelunternehmen, Politik, Soziales und öffentlicher Sektor. [Clemens Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2013)

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