Das Geschäft mit dem Tod

Gastkommentar. Erbschaftssteuer hat weder etwas mit Gerechtigkeit noch mit Moral zu tun. Sie ist Ausdruck politischen Geldhungers.

Im Zeitalter des Neosozialismus wird das Geschäft mit dem Tod wieder modern. Die Erbschaftssteuer soll dem Staat, dem die Mittel zum massenhaften Wählerkauf ausgehen, neue Einnahmequellen erschließen. Natürlich behauptet dieser Staat nicht, dass etatistische Gier hinter diesem Verhalten stünde. Vielmehr begründen die Steuererfinder, dass sie, moralisch hochstehend, im Dienst der Gerechtigkeit unterwegs seien. Die Reichen sollen bezahlen. 10 bis 20 Prozent seien durchaus vertretbar.

All dies ist nicht wahr. Zunächst werden niemals „die Reichen“ zur Kasse gebeten, sondern immer der Mittelstand. Die Reichen haben ihr Vermögen längst in diversen Stiftungen vergesellschaftet, um Personensteuern zu minimieren. Auch Österreich ist vor etwa zwei Jahrzehnten – übrigens unter einem SP-Finanzminister – in den weltweiten Stiftungswettbewerb eingestiegen, um dem Kapitalabfluss entgegenzutreten und Geld wieder nach Österreich zurückzuleiten. Diese neue Gesellschaftsform war eine Erfolgsgeschichte par excellence.

Zur Kasse gebeten würden also nur jene Vertreter des Mittelstandes, für die sich derartige Gesellschaftsformen nicht rechnen. Wer ein Grundstück mit Haus in einer guten Gegend hinterlässt, kann seine Erben durchaus mit einer Bemessungsgrundlage von einer Mio. Euro belasten. Wenn wir den oben genannten, scheinbar sanften Steuersatz in Ansatz bringen, darf der Erbe neben den Kosten des Verlassenschaftsverfahrens, der Grunderwerbsteuer und der Einverleibungsgebühr noch mit einer Steuerbelastung von 100.000 bis 200.000 Euro rechnen.

Notverkauf als Ausweg

Nehmen wir an, dass der Erbe 1.000 Euro pro Monat auf die Seite legen kann, ist er ein bis zwei Jahrzehnte allein damit beschäftigt, die Erbschaftsteuer abzuarbeiten – vorausgesetzt, er erbt nicht nochmals und stirbt auch nicht selbst. Da ein solches Modell nur für Spitzenverdiener infrage kommt, die mit einem Steuersatz von 50 Prozent bedacht werden, der jede private Vermögensbildung extrem behindert, wird oft nur der Notverkauf den Ausweg aus der Schuldenfalle darstellen. Je mehr Todesfälle es gibt, desto sicherer wird dieser Weg gewählt werden müssen und desto besser ist das Geschäft für den Staat. Die Zahl wohlhabender Österreicher nimmt ab, die Zahl reicher, den Abverkauf nutzender Ausländer zu.

Mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun. Man könnte die Bibel bemühen, die im Gleichnis von den Talenten zu vermitteln versucht, dass es nicht darauf ankommt, was man hat, sondern was man aus seinen Mitteln macht. Die Erbschaftssteuer ist auch deshalb bedenklich, weil sie zur Unmoral verleitet. Kein Mensch, dem es trotz aller Widrigkeiten des Steuerstaates gelungen ist, ein Vermögen aufzubauen, wird sich im Gedanken an den eigenen Tod damit abfinden, dass auch der bisher vom Finanzamt verschonte Teil seines Erwirtschafteten nun zu einem weiteren Teil an den Fiskus geht. Er wird darauf achten, dass sein Vermögen zu Lebzeiten in die Hände seiner Liebsten wandert.

Die Umgehungsvariante, sein Vermögen knapp vor dem Tod in ein endbesteuertes Sparbuch umzuwandeln, wird meist an der Unvorhersehbarkeit des Zeitpunktes scheitern. Wer schließlich gar keinen Ausweg sieht, wird sein Geld auf den Putz hauen. Erbschaftsteuer hat weder etwas mit Gerechtigkeit noch mit Moral zu tun. Sie ist Ausdruck des politischen Geldhungers, der sich am Tod begüterter Menschen bereichern möchte und das Kapital vertreibt.

Dr. Vetter ist Rechtsanwalt in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2013)

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