Deutsch für Inländer: Nur noch Rückzugsgefechte

Über den Gender-Schwachsinn und den traurigen Verlust der österreichischen Sprache.

Oft fragt man sich, wie es eigentlich den Deutschlehrern in der Schule geht, wenn sie Fehler korrigieren müssen, die ihre Schüler jeden Tag in der Zeitung lesen oder im Radio hören – vom rudimentären und von Fehlern nur so durchsetzten Deutsch im Internet ganz zu schweigen. Wie erklären sie Schülern, dass etwas trotzdem falsch ist, auch wenn es alle machen?

Manche Fehler kommen aus dem Nichts und verbreiten sich rasend, wie etwa die grotesk falsche Verwendung von Possessivpronomen: Das besitzanzeigende Fürwort richtet sich nach dem Geschlecht des Besitzers und nicht nach dem der Sache oder Person, die besessen wird. Ein Leitartikel in einer bedeutenden Zeitung begann so: Die schwere Krise der Europäischen Union und seiner Währung. Wie gesagt: Ihrer Währung wäre richtig, denn die EU ist weiblich.

Stronach gründet neue Partei und wird auch dessen Vorsitzender. Richtig wäre: deren Vorsitzender, denn das Relativpronomen bezieht sich auf die Partei und nicht auf Stronach. Die Steuerreform, dessen zentrales Element . . . Steuerreform ist weiblich, daher deren.

Eine der entscheidendsten Schlachten des amerikanischen Bürgerkriegs. Das geht nicht. Entscheidend lässt sich nicht steigern. Entweder ist bei der Schlacht etwas entschieden worden oder nicht.

Als sie dem gefräßigen Riesenreptil nicht mehr Herr wurden, ließen sie sie in den Everglades aus.Hier liegt ein Mehrfachversagen vor. Etwas Herr werden verlangt den Genetiv, und das sächliche Personalpronomen heißt es. Richtig hätte der Satz daher lauten müssen: Als sie des gefräßigen Riesenreptils nicht mehr Herr wurden, ließen sie es in den Everglades aus.

Mir als Jesuit, schrieb ein Jesuit. Mir als Jesuiten hätte es heißen müssen.

Anderer Meinung wie Pereira, hörten wir im Radio. Als Pereira, bitte!

Nahe des absoluten Nullpunkts. Nahe verlangt den Dativ, es hätte also heißen müssen: Nahe dem Nullpunkt.

Die lauten Geräusche werden leiser, die leisen werden mehr (aus: „Die Presse“). Ich verstehe zwar nicht, was damit gemeint sein soll, grammatikalisch ist es aber sicher falsch.

Ein Brüderpaar in Belgien, das von Geburt an taub gewesen war und auch zu erblinden drohte, ließ sich von einem Arzt töten. Im Bericht einer Agentur darüber wurden die beiden als Zwillingspärchen bezeichnet. An diesem tragischen Beispiel sieht man, wie lächerlich und peinlich die diminutive Bezeichnung Pärchen für ein Paar von Erwachsenen ist. Leider hat sich das schon völlig eingebürgert.

Slowenien steht am Rande der Zahlungsunfähigkeit, lesen wir. Wenn es so wäre, könnten sich die Slowenen freuen. Leider steht Slowenien aber am Rand der Zahlungsfähigkeit, was den Absturz in die Zahlungsunfähigkeit befürchten lässt.

Weil wir schon bei Slowenien sind, müssen wir wieder einmal daran erinnern, dass die Stadt Maribor an der Drau auf Deutsch Marburg heißt und Ljubljana auf Deutsch Laibach genannt wird. Wem möchte man etwas Gutes tun, wenn man bei uns die slowenischen Namen verwendet? Man schreibt ja auch nicht Roma, Praha oder Brno, Warszawa und Firenze. Im Übrigen steht sogar auf den Ortstafeln in Marburg der deutsche Name unter dem slowenischen. Warum wollen wir slowenischer sein als die Slowenen? Es handelt sich auch um eine Geschichtsvergessenheit. Wenigstens am Namen sollte man noch die Hauptstadt der ehemaligen Untersteiermark erkennen dürfen.

Wieder einmal Latein: Per anno ist falsch, weil per den Akkusativ verlangt. Pro anno wäre eine richtige Variante, per annum auch eine Möglichkeit.

Das Geburtsdatum muss vor dem 21. 1. 1997 liegen, um wahlberechtigt zu sein. So stand es in der Information des Innenministeriums für die Volksbefragung am 20.Jänner zu lesen. Wer war hier wahlberechtigt? Das Geburtsdatum? Richtig hätte es heißen müssen: Damit jemand wahlberechtigt ist, muss sein Geburtsdatum vor dem 21. 1. 1997 liegen.

Mathilde Schwabeneder wird zugeschalten, hörten wir im ORF. Auch wenn das ungefähr acht Millionen Österreicher für richtig halten, ist es dennoch falsch. Zugeschaltet muss es heißen.

Er sieht weg. Leuten, die so etwas schreiben, kommt wahrscheinlich das normale und richtige er schaut weg zu wenig „fein“ vor. Das erinnert an das rückwärts einsteigen im Autobus. Für hinten, was richtig wäre, geniert man sich anscheinend.

Wieder einmal soll daran erinnert werden, dass kosten den Akkusativ verlangt. Also z.B.: Die Universitäten dürfen alle (nicht: allen) etwas kosten.

Zwischen Kurz und ihr solle kein Blatt passen, sagte Unterrichtsministerin Claudia Schmied nach einem Bericht der APA. So wünschenswert sie das auch finden mag, ist es doch grammatikalisch falsch. Zwischen Kurz und sie müsste es richtig heißen.

Den Kampf gegen das Vordringen von Sprachformen, die in Deutschland gebräuchlich sind, habe ich schon längst verloren, ich führe ihn trotzdem verzweifelt und traurig als Rückzugsgefecht weiter. Hier einige Beispiele von vielen:

An Heiligabend. An Weihnachten. Das stand nicht etwa in einer deutschen Zeitung zu lesen, sondern in einer österreichischen. Falls Sie es nicht wissen sollten: Es heißt am Heiligen Abend und zu Weihnachten.

Das Hühnchen lege man in eine Beize. Das ist offensichtlich die Vorstufe zum endgültigen Gebrauch des in Deutschland gebräuchlichen Hähnchen für ein ganz gewöhnliches Hendl. Warum ist das Wort dem Autor zu schlecht, wo doch ein ordentliches Hendl meistens besser schmeckt als ein Hähnchen? Wem Hendl zu umgangssprachlich klingt, sollte wenigstens Huhn schreiben. Korrekt Deutsch ist Hähnchen das Diminutiv von Hahn und nicht von Huhn.

Sie langten zu. Warum nicht: griffen zu?

Graz. Waren Sie schon da? Mit diesem Satz wirbt die Stadt Graz um Touristen, aber nicht etwa in Deutschland, sondern in Österreich. In Österreich sagt man aber über einen Ort, an dem man sich nicht befindet, dort.

Ich habe nicht zur Wahl gestanden, sagte Angela Merkel nach der Wahl in Niedersachsen. Dieser Satz sollte allen, die immer noch die Deutschen nachäffen und intransitive Verben mit dem Hilfszeitwort haben konjugieren, eine Abschreckung sein.

Ein Junge aus dem Irak. In Österreich immer noch: ein Bub.

Zur Schule gehen. In Österreich heißt es immer noch: in die Schule gehen. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es keine Marotte ist, auf der Sache herumzureiten. Die österreichische Sprache hat feine Unterscheidungen, die nicht verloren gehen sollten. Zur Schule gehen meint in Österreich zum Gebäude hin, in die Schule grundsätzlich den Schulbesuch.

Aus Februar ist unversehens Feber geworden, aus dem Jänner der Januar, aus dem Fleischhauer der Fleischer, wenn nicht gar der Metzger.

Hässliche und sinnlose Vokabel werden nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus der Schweiz importiert. Ein Beispiel dafür ist durchwachsen. Kann mir jemand erklären, was das bedeutet?

Letzte Meldungen vom Schwachsinn der politischen Korrektheit und der „Gender-Sprache“: Pastoralassistierende, Studierendenheim. ReferentIn: Dr. Arnold Maier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2013)

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