Die Zeit der Tanten und der Onkel ist schon längst vorbei

Replik. Erfolgreiche Kinderbetreuung erfordert motiviertes Personal. Dafür müssen Entlohnung und gesellschaftliche Anerkennung stimmen.

Christoph Schwarz hat in seinem Leitartikel „Wir brauchen ein Recht auf gute Kindergärten“ („Presse“ vom 1.August) einige wichtige Punkte angesprochen. Gefordert werden mehr männliche Pädagogen, längere Öffnungszeiten, eine geringere Kinderanzahl pro Gruppe, mehrsprachiges Personal, moderne Häuser, hohe pädagogische Qualität und uneingeschränkte Arbeitsmotivation. Diese Anliegen sind berechtigt. Der Weg dorthin ist jedoch steinig. Trotz nahenden Semesterbeginns sind noch immer einige Gruppen ohne Pädagogen.

Grundsätzlich krankt es an der gesellschaftlichen Aufwertung des Berufsbildes und an den beruflichen Aufstiegschancen. In Kindergärten und Horten arbeiten keine Tanten (oder Onkel). Es ist gut ausgebildetes pädagogisches Personal beschäftigt, das durch Fortbildungen mit dem neuesten Stand der Fachrichtung vertraut ist. Außerdem gibt es keine zusätzlichen Ferien, sondern die gesetzlich vorgeschriebenen 25 Urlaubstage.

Es handelt sich auch nicht um Aufbewahrungsstätten für Kinder, sondern um Einrichtungen, die hohe Verantwortung übernehmen. Es geht um die optimale Förderung junger Menschen – also um die zukünftigen Fachkräfte im medizinischen Bereich, im Lehrbereich, im Handwerk, in der Kunst, in der Politik usw. usf.

Vielfältiges Berufsfeld

Kinderbetreuungseinrichtungen ermöglichen einerseits gesellschaftlichen Ausgleich, indem sie Kindern unterschiedlichster sozialer Hintergründe eine gemeinsame Basis bieten. Sie stärken aber andererseits jedes Kind in seinen individuellen Begabungen.

Sie versuchen, jungen Menschen ihre natürliche Begeisterungsfähigkeit zu erhalten und ihnen durch gezielte Freizeitpädagogik spielerisch sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten näherzubringen. Neben der Arbeit mit den Kindern ist das pädagogische Personal außerdem erste Ansprechstation für alle erdenklichen Sorgen von Eltern, Großeltern und anderen Erziehungsberechtigten. Oft fühlt man sich eher als Psychologin denn als Pädagogin. Das Berufsfeld ist äußerst vielfältig.

Schlechte Aufstiegschancen

Wie sieht es mit beruflichem Aufstieg aus? Kurz und bündig: schlecht! Motivierte Personen suchen gewöhnlich einen Beruf, in dem sie die Karriereleiter hinaufklettern können, in dem die Position der Leitungsvertretung nicht nur mehr Verantwortung, sondern auch finanziellen Aufstieg bringt.

Das meist teilzeitorientierte System erweckt den Anschein, als wären Frauen gesucht, die bald Kind inklusive Karenz planen – beruflicher Aufstieg unerwünscht. Dies ist ein veralteter Lebensentwurf, zumal Bewerber Matura inklusive Berufsausbildung hinter sich haben, wie das auch in einer HTL der Fall ist.

HTL-Abgänger aber dürfen sich im Unterschied zu Absolventen der Bundesanstalten für Kindergartenpädagogik nach drei berufsspezifischen Dienstjahren Ingenieur nennen. Und sie finden finanziell völlig andere Möglichkeiten vor als die mit Erfahrung gekrönte Kindergärtnerin, die im vierten Arbeitsjahr meist gleich viel verdient wie im ersten.

Das alles klingt nach einer frustrierten Mitarbeiterin? Nein, ganz im Gegenteil: Ich bin mit Freude Pädagogin, beobachte aber mit kritischem Auge das Kommen und Gehen meiner Kolleginnen und Kollegen. Die Anzahl der Abgänge kann ich nach drei Dienstjahren an meinen Fingern nicht mehr abzählen.

Und ich verstehe die Gründe für jede einzelne Kündigung, denn die Freude am Job kompensiert unangemessen niedrige Entlohnung und geringes gesellschaftliches Ansehen nicht.

Magistra Susanna Reiskopf ist Hortpädagogin in Wien.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2013)

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