Die Erinnerung an den braunen und den roten Terror

Der 23. August war Europäischer Gedenktag für die Opfer des Totalitarismus: In die Zukunft blicken, das Geschehene nicht vergessen!

Vor 74 Jahren, am 23.August 1939 schlossen Hitler-Deutschland und Stalins Sowjetunion einen verhängnisvollen Pakt, der Ausgangspunkt eines grausamen Krieges war. Der Zweite Weltkrieg kostete Millionen Menschen das Leben. Nach dem Ende des Krieges lebten weitere Millionen jahrzehntelang in totalitärer Knechtschaft.

Im Gedenken an die Opfer und in der Überzeugung, unsere Zukunft nicht ohne Erinnerung an die Schrecken der Vergangenheit gestalten zu können, wurde der 23. August zum europaweiten Gedenktag für die Opfer aller totalitären und autoritären Regime bestimmt.

Für die Menschen in den drei baltischen Staaten hatte am 23.8. 1939 die Zeit der roten und braunen Besatzung begonnen. Unterschiedliche historischen Erfahrungen der Menschen in Ost und West dürfen nicht zur Spaltung führen, sondern sollten die Europäer einen.

74 Jahre danach müssen wir gemeinsam derjenigen gedenken, die den totalitären Regimen in Europa zum Opfer gefallen sind und Widerstand geleistet haben. Wir schulden dies in erster Linie der jüngeren Generation, die am Europa von morgen baut: an einem Europa, fest verankert in den Grundsätzen von Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Chancengleichheit, Rechtsstaatlichkeit, einer unabhängigen Justiz und der Wahrung der Grund- und Minderheitenrechte. Das sind Europas gemeinsame Werte, die deutlich machen, dass wir aus der Vergangenheit gelernt haben.

Frieden täglich neu erkämpfen

Erinnerungen verblassen. Die jüngeren Generationen kennen Kriegsgräuel und totalitäre Regime nur aus den Geschichtsbüchern, was aber zumindest beweist, dass die EU ihr Versprechen, für Frieden und Demokratie zu sorgen, tatsächlich gehalten hat.

Es wäre schön, wenn dies für immer so bliebe. Frieden und Demokratie sind aber nicht selbstverständlich, sondern müssen Tag für Tag neu erkämpft werden. So müssen wir uns vor zunehmendem Extremismus und Rassismus in Acht nehmen.

Großes Erinnerungsjahr 2014

Die jüngeren Generationen müssen die Vergangenheit als Teil unserer Geschichte begreifen, wenn sie die Zukunft gestalten sollen. Die Europäische Kommission will dabei helfen. Aus dem neuen Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ werden Projekte unterstützt, die sich mit der Entstehungsgeschichte totalitärer Regime in Europa befassen. Die für Erinnerungsarbeit bereitgestellten Mittel sollen dazu dienen, Europas jüngste Vergangenheit besser zu verstehen, sie aufzuarbeiten und die Erkenntnisse an die nächste Generation weiterzugeben.

Deshalb werden die Mittel für Erinnerungsarbeit von vier auf 20Prozent aufgestockt. Die neue Rubrik „Europäisches Gedenken“ ist für weitere Meilensteine der jüngeren Geschichte vorgesehen: 2014 etwa haben wir den 100.Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs, den 25.Jahrestag des Falls der Berliner Mauer und den zehnten Jahrestag der Osterweiterung der EU.

Am 23.August haben wir die schrecklichsten Ereignisse der europäischen Geschichte Revue passieren lassen. Nur wenn wir die Verbrechen totalitärer Regime nicht vergessen, können wir jüngeren Generationen klarmachen, dass Demokratie und Grundrechte nicht gottgegeben sind, sondern das Ergebnis einer schmerzvollen Vergangenheit. Nur wenn wir die Erinnerung wachhalten, können wir sicherstellen, dass nie wieder ein Keil zwischen Europas Völker getrieben wird. Für Totalitarismus ist in Europa kein Platz mehr.

Viviane Reding (*1951 in Luxemburg) ist Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, zuständige Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2013)

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