„Deppate, hirnlose Lehrer“: Nachtschicht in der Hassfabrik

Die gesamte Lehrerschaft ist in den Online-Foren inzwischen andauernd Gegenstand von Hohn und Spott. Unwürdig und absurd!

Es ist nicht neu, dass gerade in der Bildungspolitik ideologisch und nicht sachlich argumentiert wird. Neu hingegen ist der Hass, der Lehrerinnen und Lehrern entgegenschlägt – und neu sind die Möglichkeiten, diesen Hass durch Web 2.0 zu verbreiten.

Auf dem Forum von DiePresse.com ging am Montagabend vor einer Woche in der Internetausgabe der „Presse“ ein kurzer Bericht mit etwas über 150 Wörtern über eine Demonstration angehender Lehrer gegen das neue Dienstrecht online. Bereits eine Stunde danach gab es einige Forumseinträge von Lesern, teilweise länger als 200 Wörter. Über Nacht waren es dann schon über 100 Postings.

Verachtete Lehrerschaft

Das Spektrum der Meinungsäußerungen reicht dabei von sarkastisch „... und wie war der erste 50-minütige Arbeitstag so?“ über zynisch „... vorsicht, sonst bekommt ihr gleich ein burn-out, bei dem stressigen job und so viel ferien übernimmt man sich schnell mit dem freizeitstress“ und neidisch-uninformiert „... 13 Wochen bezahlten Urlaub, 22 Stunden pro Woche in der Klasse und dann auch noch das Maul aufreißen!“ bis hin zu Hasstiraden über die „Deppaten“, die doch „gar nichts mehr im Hirn haben“, und die „Versager, die sich weigern, mit den Schülern zu arbeiten“.

Die Vielzahl an Kommentaren ist bei einem innenpolitischen Thema normal. Aber üblicherweise sind Politiker und ihre Parteien der Gegenstand von Spott und Hohn in den Foren und nicht Angehörige anderer Berufsgruppen.

Nun gibt es zwischen „den Politikern“ und „den Lehrern“ wichtige Unterschiede: Politiker exponieren sich freiwillig. Ihre Anliegen sind die Darstellung und Verteidigung von ideologischen Positionen und von Entscheidungen und Handlungen, die daraus folgen – und das gegen alle anderen. Zudem sind von solchen Hass-Postings nie alle Politiker als Politiker betroffen, sondern eben nur die einer bestimmten Gesinnungsgruppe. Die Postings gegen die Lehrerschaft treffen hingegen ausnahmslos alle Lehrer.

Zum x-ten Mal rechtfertigen

Wie soll man sich da wehren? Und doch zwingen die Hass-Postings die Lehrer in die unwürdige Lage, sich erklären zu müssen – nämlich zu sagen, dass sie keine „Deppaten“ und „Hirnlosen“ sind.

Zum x-ten Mal sollen sie erläutern, warum die Arbeitszeiten so aussehen, wie sie eben aussehen. Dass Kontaktstunden nur ein Teil der Arbeit sind, dass die Sommerferien unbezahlt und trotzdem vor allem für die Kinder sehr wichtig sind. Und dass sie natürlich dazu bereit sind, Verbesserungen anzunehmen.

Das Verhältnis zwischen sachlichem Bericht und ideologischen Kommentaren – 150 Wörter gegen drei Seiten – spiegelt wider, wie unsachlich die Diskussion geführt wird. Es bedarf einer soliden Berichterstattung über den Alltag und das Leben als Lehrerin; einer fundierten Reportage von einem unabhängigen Journalisten.

Es braucht sachliche Kritik an namhafter Stelle und nicht noch mehr Kommentare und Leitartikel, die zwar das Ideologische an der Diskussion, nicht aber das Sachliche verbreiten und verbreitern.

Absurden Hass eindämmen

Es braucht keine weiteren anonymen Postings und keine mild lächelnden Redakteurinnen und Redakteure, die angesichts eines Pro-Lehrer-Kommentars die Augenbrauen hochziehen und sagen: „Ja, ja. Die Lehrer.“ Hier kann und muss Qualitätsjournalismus mitmachen, um diesem absurden Hass Einhalt zu gebieten.

Dr. Christopher Ebner, Jahrgang 1980, Lektor am Institut für Germanistik und am Institut für Translationswissenschaften an der Universität Graz.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2013)

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