Unverschämte Querschüsse gegen die Winterspiele in Sotschi

Zum neuen russischen Gesetz, das die Propagierung nichttraditioneller sexueller Beziehungen mit Minderjährigen verbietet.

Seit einiger Zeit sind wir Zeugen einer massiven politischen Kampagne, die auf die Diskreditierung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2014 in Sotschi sowie auf deren Boykott abzielt. Das geschieht unter Hinweis auf ein neues russisches Gesetz, das die Propagierung nichttraditioneller sexueller Beziehungen mit Minderjährigen verbietet. Dabei heißt es, dass dieses angeblich diskriminierende Gesetz den Aufenthalt von Sportlern und Gästen, die einer sexuellen Minderheit angehören, in Sotschi gefährde. Aber solche Behauptungen verdrehen nur unverschämt die Substanz des Gesetzes.

Die russische Verfassung beinhaltet ein klares und deutliches Verbot jeglicher Form von Diskriminierung – ganz im Sinne der von der Russischen Föderation übernommenen internationalen Verpflichtungen, sei es im Rahmen der UNO oder der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Das erwähnte Gesetz untersagt lediglich, Minderjährigen nichttraditionelle sexuelle Einstellungen aufzudrängen. Es widerspricht in keiner Weise der Verfassung der Russischen Föderation. Das russische Verfassungsgericht hat 2010 bekräftigt, dass Familie, Mutterschaft und Kindheit traditionelle Werte sind, die die Erhaltung und Entwicklung des russischen Nationalitätenstaates bedingen.

Schutz der Minderjährigen

Außerdem geht Russland als Teilnehmer der Kinderrechtskonvention konsequent vom Prinzip des bestmöglichen Schutzes der Interessen Minderjähriger aus. Die russische Gesetzgebung verpflichtet die öffentliche Hand, Kinder vor Informationen zu schützen, die ihrer Gesundheit, moralischen und geistigen Entwicklung schaden könnten. Dabei hat das durch das Gesetz verbotene Verhalten mit Sport sowie mit dem Sinn und Zweck der Olympischen Spiele nichts gemeinsam. Es ist auch kaum vorstellbar, dass ein solches Verhalten Ziel des Aufenthalts renommierter Sportler und Gäste in Sotschi sein könnte. Wie von russischer Seite mehrfach betont, werden wir in Sotschi alle Sportler und Gäste willkommen heißen – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.

Es gab keine Gewaltkampagne

Nichtsdestotrotz nehmen wir an, dass auch unsere ausländischen Gäste einem der zentralen Grundsätze der olympischen Bewegung – der Achtung der Gesetze des Gastgeberlandes – treu bleiben.

Es sei auch bemerkt, dass die Interessen sexueller Minderheiten – sowohl russischer Bürger als auch Ausländer – unter dem Schutz der russischen Verfassung und Gesetze stehen. In Russland sind gesellschaftliche Einrichtungen aktiv, die die Interessen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT) vertreten, darunter die Föderation des LGBT-Sports, der mehr als 30 Sportklubs angehören. Gemessen an der Anzahl der Teilnehmer und erkämpften Medaillen, belegten die russischen LGBT-Sportler 2012 bei den EuroGames in Budapest den zweiten Platz.

Was das angesprochene Gesetz angeht, wird dessen Handhabung streng von russischen Gerichten kontrolliert. Ein Verstoß führt lediglich zu einer administrativen, nicht strafrechtlichen Verfolgung. Diese wird auf dem Gerichtsweg eingeleitet – ausschließlich als Folge einer absichtlichen Missachtung des festgeschriebenen Verbots.

Dabei hindert die russische Gesetzgebung Vertreter der LGBT-Community nicht daran, für ihre Rechte mit gesetzlichen Mitteln zu kämpfen. Berichte, wonach auf die Verabschiedung des erwähnten Gesetzes eine „groß angelegte Gewaltkampagne“ gegen Vertreter sexueller Minderheiten folgte, entsprechen nicht den Tatsachen.

Sergej Netschajew (* 1953 in Moskau) ist seit April 2010 russischer Botschafter in Österreich.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2013)

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