Wieder keine Rede von Sport, Kinderverfettung und Gesundheit

Die wichtigste Nebensache der Welt spielte im Nationalratswahlkampf so gut wie kein Rolle.

Aus all den Themen, die während des Wahlkampfes von allen Parteien weitestgehend ignoriert wurden, könnte man ein Parteiprogramm machen, das mehr über die österreichische Realität aussagt als all die redundanten Interviews, Arenen, Duelle und Fernsehkonfrontationen.

Wer kümmert sich um prekäre Arbeitsverhältnisse? Wer schert sich um den Geldmangel im Schulsystem, der nicht mit Deutsch als Muttersprache aufwachsenden Kindern schlechte Lebenschancen garantiert?

Zu wenig Turnsäle, Sportplätze

Wenn wir schon beim guten Leben sind: Wieso redet kein Wahlwerber über Sport, Gesundheit, Bewegungsmangel, Verfettung der Kinder, Verführung zu überzuckerten, fetten Lebensmitteln, Bierwerbung mit rot-weiß-roten Fähnchen beim Ländermatch und den steigenden Bewegungsbedarf für Senioren?

Die Kampagne der Bundessport-Organisation für die „tägliche Turnstunde“ haben 150.849 Menschen unterschrieben, fünf Prozent der offiziellen Mitglieder (2.903.021 laut BSO-Statistik 2013). Dennoch versprach Bildungsministerin Claudia Schmied eine tägliche Bewegungseinheit in der Schule. Dabei ist fraglich, ob überhaupt genügend Sportlehrer für den Regelunterricht zur Verfügung stehen würden. Von der Unterversorgung mit Turnsälen und Sportplätzen ganz zu schweigen.

Auch das Bildungsvolksbegehren von Hannes Androsch hatte die körperliche Erziehung oberflächlich behandelt. Die Repräsentanten des organisierten Sports haben ihr Thema nicht in der öffentlichen Auseinandersetzung um die Nationalratswahl platzieren können. Und offenbar interessierte sich auch kein Wahlduell-Moderator für das Problemfeld.

Alte Vorschläge, neu aufgetischt

Dabei sind die finsteren Zeiten, als der Sport in den Wahlprogrammen nicht einmal erwähnt wurde, vorbei. Im ÖVP-Wahlprogramm erscheint das Thema im Abschnitt „Für ein Österreich, das Heimat ist“. Er ist das kürzeste, mithin also wohl das unwichtigste Kapitel. Und es enthält überwiegend alte Vorschläge: die Forderung nach einem neuen nationalen Sportstättenplan, Förderung der Integration durch Sport, Sicherung der Behindertensportförderung.

Von zeitloser Schönheit

Die SPÖ hat die tägliche Turnstunde und die Optimierung der Rahmenbedingungen für den Spitzensport auf ihre (Druck-)Fahnen geschrieben: knapp, abstrakt und von zeitloser Schönheit.

Im „Handbuch freiheitlicher Politik“ wird Sport als ein Teil der Gesundheit definiert, der andere ist die medizinische Versorgung. Die FPÖ fordert überraschenderweise die tägliche Turnstunde und lehnt „gentechnische Manipulation zum Zweck der sportlichen Leistungssteigerung ab“.

Im Programm der Grünen wiederum wird der Sport ebenfalls im Schulkapitel erwähnt. Überdies wird zur Reform im österreichischen Sportfördersystem aufgerufen und ein Plädoyer für die sportfachliche Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Volksschullehrerinnen gehalten.

Und natürlich die Werte

Frank Stronach, der sieben Jahre hindurch den Fußballklub Austria Wien gesponsert und in den Jahren knapp vor Erfindung des Fernsehens selbst einmal Fußball gespielt hat, fordert Spezialakademien für besonders Begabte; ein ausreichend großes Sportstättenangebot; die Vereinfachung der Förderbürokratie. Und natürlich die Werte: Durchsetzungsfähigkeit, Ausdauer und Fairness. All das könne der Mensch durch Sporttreiben lernen.

Viele ehrenwerte, beflissene Vorhaben also. Zum Kampf für diese aber haben sie keine der wahlwerbenden Parteien bewegt. Aktuelle unrepräsentative Umfragen unter Körpersprache-Experten auf Tennisplätzen und in Fußballstadien zeigen einen Trend: Der Nichtwähleranteil unter Sportlern und Funktionären könnte die Fünf-Prozent-Hürde nehmen.

Mag. Johann Skocek ist freier Journalist und Buchautor.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.