Horthys schändliche Verherrlichung

Ein neues Denkmal für Reichsverweser Miklós Horthy mitten in Budapest: ungeheuerlich und unbegreiflich.

Am 3.November 2013 wurde in Budapest wieder ein Denkmal für den ehemaligen Reichsverweser Miklós Horthy (1868–1957) eingeweiht. Gar nicht irgendwo, sondern inmitten der Stadt – auf dem Szabadság tér (Platz der Freiheit).

Besonders raffinierte Zeitgenossen mögen natürlich einwerfen, dass das Denkmal im Grunde gar nicht dort steht, sondern am Ende der Stufen, die zur Kirche der Heimkehr führen. Da das Gotteshaus nicht als öffentliches Eigentum gilt, kann man dort tun und lassen, was man will.

Während das Denkmal vom reformierten Pfarrer Loránt Hegedüs gesegnet wurde, hielt Márton Gyöngyösi (Abgeordneter der rechtsradikalen Partei Jobbik) eine Rede. Ihm zufolge war Horthy „der größte Staatsmann des 20.Jahrhunderts“, der nur mit solch herausragenden Ungarn wie dem heiligen Stephan, dem heiligen Ladislaus, Ferenc Rákóczi, Lajos Kossuth und István Széchenyi in einem Atemzug genannt werden könne.

Das Ganze ist unbegreiflich, war doch die Periode unter Horthy (1920–1944) bekanntlich eins der dunkelsten Kapitel der ungarischen Geschichte. Die Verherrlichung Horthys ist ungeheuerlich, ja schändlich. Die Judengesetze, die Deportationen, die Tragödie am Don (wo die ungarischen Truppen 1943 von der Roten Armee vernichtend geschlagen wurden) sind allesamt mit Horthys Namen verbunden. Von dieser Schande kann ihn weder Gott noch die radikale Rechte reinwaschen.

Missachtung der Geschichte

Es ist erschreckend, dass ein großer Teil der ungarischen Öffentlichkeit die historischen Tatsachen derart missachtet und verleugnet. Sie hat ein gutes Recht dazu, schließlich herrschen in Ungarn Gedanken- und Meinungsfreiheit...

Wenn jemand in seiner Kirche, seinem Gemüsegarten oder seinem Stall eine Horthy- oder Szálasi-Statue (Ferenc Szálasi war Regierungschef und Staatsoberhaupt während der Pfeilkreuzler-Diktator von 1944 bis 1945) aufstellt, dann ist das seine Privatangelegenheit.

Wo gibt es Hitler-Statuen?

Antal Rogán (Fraktionsvorsitzender der Regierungspartei Fidesz) macht sich Sorgen, dass nun der schlechte Ruf Ungarns im Ausland neue Nahrung erhält.

Er hat allen Grund, sich Sorgen zu machen, freilich hat sich das Land die negativen Nachrichten selbst eingebrockt. In Deutschland oder Österreich werden keine Hitler-Statuen eingeweiht, weil es die Verfassung verbietet. Auch in Italien werden keine Mussolini-, in Frankreich keine Pétain-, in Rumänien keine Antonescu-, in der Slowakei keine Tiso-Denkmäler aufgestellt.

Jenen einigen hundert Personen gebührt Hochachtung, die auf dem Platz der Freiheit eine Gegendemonstration abhielten, wobei viele einen gelben Stern trugen. Nur hätten es mehr Menschen sein können. Diejenigen, die als Gegendemonstranten dort waren, wurden von den Teilnehmern an der Denkmal-Einweihung mit rüden Worten bedacht. Sie wünschten sie nach Israel, Brüssel und zur Donau (von 1944 bis 1945 wurden zahlreiche Juden vom Pfeilkreuzler-Regime unter Ferenc Szálasi am Budapester Donauufer hingerichtet).

Die Vergangenheit kann weder vergessen noch ausgelöscht werden. Ihre Erschließung und Aufarbeitung sind nicht nur Aufgabe von Regierungen und Parteien, sondern des gesamten Volkes. Sehen wir der Geschichte ins Auge – selbst dann, wenn es ungemütlich ist –, und versuchen wir, gemeinsam Lehren aus ihr zu ziehen. In Ungarn ist dies offenbar bis heute nicht geschehen.

András Schiff ist ein international gefeierter ungarischer Pianist. Im Dezember wird ihm die Goldmedaille der britischen Royal Philharmonic Society verliehen.
Der Text erschien zuerst in Nepszabadsag. Aus dem Ungarischen von Peter Bognar.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2013)

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