Mit dem Rotstift gegen die Familien: Das tut nicht weh

Um Zukunftsmusik zu hören, müssen auch heilige Kühe geschlachtet werden.

Fast 120 Euro hat die Rechnung ausgemacht, die wir heute bei einem Diskonter für Lebensmittel ausgegeben haben. Nicht für eine Cocktailparty, sondern für unsere vier Kinder. Wir haben sie freiwillig bekommen – aber sie sind keineswegs ein reines Privatvergnügen. Die Früchte unserer Familienarbeit werden von der Allgemeinheit genutzt, die Aufwendungen bleiben aber auf den Familien lasten.

Seit weit über zehn Jahren wurden die Familienbeihilfe und das Kinderbetreuungsgeld weder erhöht noch an die Inflation angepasst. Wer würde sich so etwas bei Lohnverhandlungen trauen – oder gar Hand an die heilige Pensionskuh legen?

Familie hat für die große Mehrheit der Österreicher einen hohen Stellenwert. Familie ist Teil der Lebensrealität jedes Menschen: Man stammt aus einer Familie, man wünscht sich eine Familie. Die Shell-Studie 2010 fand heraus, dass 76 Prozent der jungen Menschen überzeugt sind, dass man eine Familie braucht, um glücklich leben zu können.

Familien wünschen sich Zeit miteinander. Laut einer Studie des Allensbacher Instituts für Demoskopie beschreiben nur 28 Prozent die Lebensrealität in ihrer Familie mit „Man hat viel Zeit füreinander“, aber 83 Prozent würden sich dies für ihre Familie wünschen.

„Rushhour des Lebens“

Um Stabilität und „viel Zeit füreinander“ zu erleben, müssen Familien von äußerem Druck entlastet werden. Der Staat sollte dazu den finanziellen Mehraufwand der Kindererziehung abdecken: durch Erhöhung oder zumindest Valorisierung der Familienbeihilfe, durch echte steuerliche Berücksichtigung all jener Familienmitglieder, die von einem Einkommen leben.

Während wir Familien für die Zukunft des Staates sorgen, finanzieren wir ihn auch über die höheren personen- oder konsumabhängigen Gebühren und Steuern. Es geht aber auch um eine Entlastung der Familien in der „Rushhour des Lebens“: Karriere, Weiterbildung und Kinder – muss das alles zur gleichen Zeit stattfinden anstatt in verschiedenen Lebensphasen?

Familien haben keine Lobby

Es ist völlig widersinnig: Während junge Mütter möglichst schnell in einen Vollzeitberuf zurückkehren sollen, kann man ältere Arbeitnehmerinnen gar nicht früh genug in Pension schicken. Eine Ideologie zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie unlogisch ist.

Leider haben Familien keine Lobby. Anstatt in Gremien auf unsere Rechte zu pochen, wechseln wir Windeln, schlichten Streit, betreiben Großküchen. Bei Familien einzusparen tut politisch anscheinend nicht weh. Das Pensionsalter anzugehen hingegen schon.

Wo bleibt die Verantwortung gegenüber kommenden Generationen? Auch heilige Kühe müssen geschlachtet werden dürfen, wenn es notwendig ist.

Für die Familienbeihilfe scheint es kein Geld zu geben, für den Ausbau der Kinderbetreuung hingegen schon. Ich bin im Zweifelsfalle für die Beihilfe, die allen zugute kommt und die Wahlfreiheit erhöht. Familien wissen selbst, was sie brauchen.

Vereinbarkeit allein ist zu wenig. „Es gibt nichts zu vereinbaren, es gibt nur zu addieren“, schreibt die deutsche Tabubrecherin Birgit Kelle, „jede berufstätige Mutter weiß das. Weil die Bedürfnisse von Kindern sich nicht in kleine Zeitfenster pressen lassen und unsere eigenen auch nicht.“ Noch nie waren so viele Mütter und Eltern vom Burn-out gefährdet. Kinderlärm in den Ohren der Eltern ist Zukunftsmusik für die ganze Gesellschaft.

Die aber wird durch diese falschen politischen Prioritäten zum Verstummen gebracht.

Dr. Gudrun Kugler ist Juristin. Nach einem Vorzugsstimmenwahlkampf (Nationalratswahl 2013) wurde sie bundesweit Drittplatzierte auf der ÖVP-Liste.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.