Den Kirchenbeitrag abschaffen, dafür Steuern widmen

Ungeliebter Kirchenbeitrag ist für viele ein Hauptmotiv für Kirchenaustritt.

Die neulich präsentierten Zahlen der auf 54.845 angestiegenen Kirchenaustritte mögen angesichts eines Papstes, dem die Sympathien zufliegen, überraschen. Die Unterschiede in den einzelnen Diözesen lassen schon eher auf regionale Besonderheiten schließen.

Allen Diözesen gemeinsam ist aber ein hoher Grundpegel an Austritten, der nicht durch sinkende Austritte in wenigen Diözesen aufgewogen wird. Wenn sich die Austritte im Bereich über ein Prozent bewegen, so sind die erfreulichen Eintritte im Ausmaß von ca. einem Promille nur ein kleiner Trost, werden aber als große Hoffnung dargestellt. Als Ursachen werden lose Bindungen zu Institutionen, demografische Entwicklung und Säkularisierung genannt. Mithilfe von Grafiken werden punktuelle Ereignissen dargestellt, die zu Austrittspitzen geführt hätten.

Das wirkt sehr anschaulich, trifft aber die von der Österreichischen Bischofskonferenz 1998 genannten Ursachen nicht: „Aus internen Umfragen wissen wir, dass zwei Drittel der Ausgetretenen – neben anderen Gründen – den Kirchenbeitrag als Motiv für den Austritt angeben.“ „Mit vielen dieser Katholiken hatten unsere Mitarbeiter in den Pfarren und Kirchenbeitragsstellen zu wenig persönlichen Kontakt. Das möchten wir ändern.“

Weggeredetes Austrittsmotiv

Das Horrorjahr 2010 als Vergleich lässt die danach folgenden Austrittsraten geradezu erträglich darstellen. In Deutschland gaben bei einer Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach gar 72 Prozent die dortige Kirchensteuer als Grund für den Austritt aus einer Kirche an. 2010 war im Vergleich zu Deutschland mit 0,75 Prozent die Austrittsrate in Österreich mit ca. 1,6 % mehr als doppelt so hoch.

Das von den österreichischen Bischöfen benannte „Motiv“ wird von den Verteidigern des in der NS-Zeit eingeführten Kirchenbeitrages gern weggeredet. Mehrere Länder in Europa haben inzwischen die Kirchenfinanzierung geändert. Italien, Spanien, Ungarn und Polen haben die Steuerwidmung für anerkannte Kirchen oder einen staatlichen Fonds aus der bereits erfolgten Steuerleistung ohne neue Steuer eingeführt. In Diskussion ist die Widmung in der Slowakei und in Liechtenstein mit der geplanten Zuweisung von zwei Prozent der Steuerleistung.

Keine zusätzliche Belastung

Mit der Abschaffung des Kirchenbeitrages wäre immerhin eine kleine Steuersenkung gegeben. Die Widmung aus eigener Steuerleistung für Kirchen oder einen staatlichen Kultur- bzw. Sozialfonds würde niemanden zusätzlich belasten.

Entfallen könnten künftig auch zur Gänze etwa 30.000 gerichtliche Klagen, rund 10.000 Exekutionen, die Bearbeitung von ca. 55.000 Austrittsakten und die Kosten der Beitragseinhebung von 40 bis zu 60 Millionen Euro jährlich. Nachdem der Rechnungshof 2012 für die Absetzbarkeit der Kirchenbeiträge bereits 135 Millionen Euro an Kosten für das Jahr 2009 festgestellt hat, wird dieser Betrag durch die Erhöhung der Absetzbarkeit ab 2012 auf 400 Euro wesentlich steigen.

Mit der Widmung von zwei Prozent der eigenen Steuerleistung würde eine Umstellung auf Widmung wohl zur Gänze selbst finanzierbar sein, was sich im Vergleich zu den jüngst als erforderlich angesehenen Kosten für die Hypobank in der Höhe von zwölf Milliarden Euro als marginal ausnimmt.

Nach dem Steueraufkommen von 30 Milliarden Euro 2012 würde die Umstellung auf Widmung von zwei Prozent nur ein Zwanzigstel der zwölf Milliarden an Kosten für die Hypobank betragen; mit dem Betrag könnten hypothetisch Kirchen mit ihren Leistungen und ein bisher fehlender staatlicher Kulturfonds 20 Jahre gesichert werden.

Dr. Rudolf K. Höfer, ao. Univ.-Prof. am Institut für Kirchengeschichte und kirchliche Zeitgeschichte der Karl-Franzens-Universität Graz

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2014)

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