Mit der Bankenunion aus der Eurozonenkrise?

Die Bankenunion sollte den Teufelskreis zwischen Banken und Staaten brechen. Da damit die implizite Staatsgarantie abgeschafft werden soll, kann dafür kein Preis in Form spezieller Bankensteuern verlangt werden.

Die Bankenunion soll die Krise der Eurozone überwinden helfen. Um den Teufelskreis zwischen Banken und Staaten zu brechen, müssen sich die Staaten entschulden. Banken müssen mehr Eigenkapital und höhere Liquiditätspuffer bilden und krisenfester werden. Unprofitable Banken sollen kontrolliert abgewickelt werden. Die Möglichkeit einer Insolvenz ist eine Voraussetzung für strengere Marktdisziplin.

Nach dem Beschluss über den einheitlichen Aufsichtsmechanismus wird die EZB in Zukunft etwa 130 Großbanken, die fast 85 Prozent der Bankaktiva im Euroraum halten, und in jedem Land wenigstens die drei größten Institute direkt beaufsichtigen. Die übrigen Banken unterstehen weiter der nationalen Aufsicht nach einheitlichen Standards. Die EZB wird die Großbanken mit Stresstests prüfen und ihre Aktivaqualität bewerten.

Klare Haftungsreihenfolge

Im Dezember 2013 beschloss der Ecofin-Rat Prinzipien des einheitlichen Abwicklungsmechanismus. Es wird ein Abwicklungsfonds eingerichtet, der aus nationalen Bankbeiträgen gespeist wird und ein Volumen von einem Prozent der garantierten Einlagen erreichen soll; das sind etwa 59 Milliarden Euro, davon 1,8 Mrd. in Österreich.

Damit sollen die Kosten der Abwicklung und Sanierung finanziert werden, wobei eine klare Haftungsreihenfolge einzuhalten ist: Zuerst sind Verluste von Eigentümern, Gläubigern und ungeschützten Einlegern zu tragen, bevor der Insolvenzfonds oder gar der Steuerzahler belastet wird.

Die Beiträge der Banken zum Fonds sollen sich an ihrem Risiko orientieren. Sie fließen zunächst in nationale Fonds, die über zehn Jahre schrittweise vergemeinschaftet werden. Wenn in der Aufbauphase die Mittel nicht ausreichen, soll zunächst eine nationale Zwischenfinanzierung erfolgen, die im Nachhinein durch zusätzliche Bankabgaben wieder eingetrieben wird. Im Notfall kann ein Staat einen Kredit des Rettungsschirms ESM beantragen.

Nach zehn Jahren soll dem zentralen Fonds eine Kreditaufnahme auf dem Markt ermöglicht werden. Die Regeln für Abstimmungen und Einspruchsrechte in den Gremien sind komplex und könnten in kritischen Situationen die Entscheidungsfindung verzögern.

Der Preis für den Schutz des Steuerzahlers sind höhere Beiträge der Banken, die diese erst erwirtschaften müssen. Neben Gebührenerhöhungen für Dienstleistungen werden entweder die Kreditzinsen steigen, oder die Zinsen für Einlagen oder Anleihen der Banken fallen – oder die Eigenkapitalrenditen sinken. Höhere Kreditzinsen hemmen das Wachstum.

Aufarbeitung der Altlasten

Wenn die Banken die Zinsen für Spareinlagen und Anleihen senken, bekommen sie Schwierigkeiten, sich zu refinanzieren. Sie können in der Folge weniger Kredite vergeben. Wenn geringe Renditen die Beschaffung von neuem Eigenkapital erschweren, ist die vorgeschriebene Steigerung der Eigenkapitalquoten nur mit einer Einschränkung der Kredite zu erzielen. Die Kosten der höheren Finanzstabilität dürften zu höheren Kreditzinsen und einem geringeren Kreditvolumen führen.

Man kann daran zweifeln, dass ein Prozent der garantierten Einlagen für den Insolvenzfonds ausreicht. Das hängt davon ab, ob die höhere Sicherheit der Banken die Insolvenz- und Sanierungsfälle genügend stark reduziert, und wie oft die private Verlustbeteiligung ausreicht. Größere Probleme dürfte es in der ersten Aufbauphase geben, in der eine kostspielige Aufarbeitung der Altlasten stattfinden muss.

Die Stresstests der EZB könnten Eigenkapitallücken und eine Reihe von faktischen Insolvenzen zutage fördern. Da der gemeinsame Fonds noch nicht zur Verfügung steht und die nationalen Fonds erst mit Beiträgen aufzufüllen sind, wird es wieder zu einer stärkeren Verschuldung der Sitzstaaten kommen, die im Notfall den ESM-Rettungsschirm in Anspruch nehmen können.

Die Beiträge sollen sich am Risikoprofil der Banken orientieren. Banken mit riskanteren Aktivitäten müssen daher höhere Versicherungsbeiträge leisten. Banken werden also auch in Staaten mit höheren Kredit- und Einlagenrisken höhere Prämien zahlen. Das ist gerade für Krisenländer ein Problem.

Das Versicherungsprinzip kannaber ohne Umverteilung nur funktionieren, wenn sich die Kreditrisken länderweise wenig unterscheiden. Das ist erst nach Aufarbeitung der Altlasten und breiter Entschuldung bei den Kreditnehmern möglich.

Die Kosten einer Bankabwicklung oder Sanierung, die bereits im ersten Jahr nach privater Verlustbeteiligung anfallen, sollen daher zunächst die zuständigen Sitzstaaten tragen. Erst danach werden die nationalen Anteile geringer und die Kosten zunehmend aus dem gemeinsamen Insolvenzfonds finanziert. Wenn eine solidarische Umverteilung in der Eurozone gewollt ist, soll sie nicht intransparent durch länderweise Quersubventionierung der Bankensektoren stattfinden, sondern von Steuerzahler zu Steuerzahler.

Spezielle Steuern für den Finanzsektor werden oft damit begründet, dass der Bankensektor für die von ihm verursachten Kosten der Finanzkrise zu zahlen habe. Ein Problem dabei ist, dass gerade die vorsichtigen Banken am Ende für die Insolvenzen der aggressivsten Wettbewerber geradestehen müssten. Eine Versicherung muss vor dem Schadensfall eingerichtet werden, nicht im Nachhinein.

Korrigierende Bankensteuern?

Die Begründung für korrigierende Steuern verschwindet, wenn die externen Kosten nach dem Verursacherprinzip mit risikogerechten Versicherungsprämien angelastet werden. Nachdem die Bankenunion die implizite Staatsgarantie abschaffen soll, kann dafür kein Preis in Form von speziellen Bankensteuern verlangt werden.

Die Bankenunion sollte den Teufelskreis zwischen Banken und Staaten brechen. Dem steht entgegen, dass Staatsanleihen bei der Berechnung des Eigenkapitals nach Basel III mit einem Risikogewicht von null Prozent zählen, während Firmenkredite zu 100 Prozent eingehen. Entgegen den Erfahrungen der Eurokrise werden sie als absolut sicher eingestuft, griechische genauso wie deutsche.

Die bevorzugte Behandlung der Staatsschulden könnte für die Kreditverknappung in den Krisenländern mitverantwortlich sein. Gerade dort haben die Banken große Probleme mit der Erfüllung der Eigenmittelstandards. Sie investieren daher gern in heimische Staatsanleihen, da diese wegen der hohen Risikoprämie eine hohe Rendite versprechen, aber bei der Berechnung des notwendigen Eigenkapitals als absolut sicher gelten und nicht mitzählen. Es wäre konsequent, Staatsschulden mit ihrem tatsächlichen Risiko in die Berechnung der Eigenmittelstandards anzusetzen.

DER AUTOR

Dieser Kommentar entstand in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik; er ist Teil von deren Serie „Policy Briefs“: www.oegfe.at/policybriefs

E-Mails an:debatte@diepresse.com



Christian Keuschnigg
(*1959 in St. Johann in Tirol) studierte Betriebs- und Volkswirtschaft in Innsbruck und schloss einen Postgraduiertenlehrgang am Institut für Höhere Studien ab. 1997 wurde er Professor für Finanzwissenschaft an der Universität des Saarlandes, 2001 folgte er einem Ruf an die Uni St. Gallen. Seit 2012: Direktor am Institut für Höhere Studien. [ Clemens Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2014)

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