Wie kommt ÖVP aus 20-Prozent-Ghetto?

Mit einer Politik, die „allen wohl-, aber niemandem wehtun“ soll, wird die Volkspartei nicht aus ihrem Tief kommen.

Es gibt viele Wege zur politischen Macht. Nachhaltig erfolgreich ist eine Politik jedoch nur, wenn drei P aufeinandertreffen: Programm, Partei und Personal. Das aktuelle Programm der ÖVP ist 20 Jahre alt; als Partei ist die Volkspartei gespalten in Landesverbände und Bünde; und ihr Parteiobmann befindet sich in einem historischen Umfragetief.

Nur noch jeder 14. Österreicher würde heute Michael Spindelegger zum Bundeskanzler wählen. Beim Vertrauensindex der ÖVP-Politiker landet der Parteiobmann gar bei minus 17 Punkten. Das ist, wenige Monate nach der Nationalratswahl, einmalig in der Geschichte der Republik Österreich.

Ein Masterplan fehlt

Man könnte solche Umfragewerte als Momentaufnahme verharmlosen und ad acta legen – wenn da nicht zwei Umstände hinzukämen: Schon im Mai findet die Europawahl statt. Und bei den schlechten Imagewerten des Parteiobmanns und Vizekanzlers handelt es sich um einen Trend, der schon seit Längerem anhält.

Hier die Verantwortung allein bei den Medien und ihrer Berichterstattung zu suchen ist in der Politik ebenso beliebt wie hilflos. Vielmehr besteht ein enger Zusammenhang zwischen Image und Inhalten.

Es fehlt ein Masterplan, und in puncto Themenplatzierung und Agendasetting gibt es arge Defizite. „Wirtschaft stärken, Familien entlasten, Haushalt konsolidieren und Bürokratie abbauen“ – das ist alles wichtig und richtig, reicht aber längst nicht mehr aus. Mit einer Politik, die „allen wohl- und niemandem wehtun“ soll, wird die Partei aus dem 20-Prozent-Ghetto nicht ausbrechen können.

Spindelegger wird als freundlicher und zugleich fairer Makler von Interessen angesehen. Damit aber gilt er zugleich als eher harmoniebedürftig und weniger konfliktstark. Der Wertkonservative erscheint als eine klug abwägende, aber auch von an ihn herangetragenen Interessen getriebene Persönlichkeit. Seine Partei wird seit der Ära Schüssel bei den Wählern als eher kalt und unsympathisch wahrgenommen.

Wettbewerb der besten Ideen

Spindelegger hat dies zwar erkannt und mit Sebastian Kurz und Sophie Karmasin zwei neue Hoffnungsträger in die Regierung geholt. Diese erzeugen zwar etwas Aufwind, werden der Partei aber keinen veritablen Höhenflug bringen. So mag hier der Satz gelten, der dem früheren sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow nachgesagt wird: „Wer politisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist, geht mit der Zeit.“

Wie ließe sich das Image von Partei und Obmann verbessern? Zwei Punkte müssen sich ändern. Erstens: Aus dem Gegeneinander der Landesverbände und Bünde muss sich ein Wettbewerb der besten Ideen entwickeln, aus dem auch ein neues Programm entstehen könnte. Die entscheidenden Fragen lauten: Wie kann der Aufbruch in die Bildungsrepublik Österreich gelingen? Was können Bund, Länder, Gemeinden dazu beitragen? Welche Chancen und Risken beinhaltet die EU-Mitgliedschaft für Österreich? Und warum gelingt der Spagat zwischen Beruf und Familie in anderen Ländern leichter? Wie wird Österreich kinderfreundlicher?

Stimmige Verdichtung

Zweitens: Griffige Bilder und einschlägige Botschaften müssen zu überzeugenden Inhalten passen, dürfen keine bloßen Überschriften bleiben. In der Sprache der Kommunikationsberater: Partei, Programm und Personal sollten sich in der Wahrnehmung zu einer Identität aus Denken, Handeln und Reden sowie stimmig gestalteten Auftritten verdichten.

Dr. Daniel Dettling leitet das Institut für Zukunftspolitik in Berlin und Wien.

Richard Schütze leitet die auf Politikberatung und Medienmanagement ausgerichtete „Richard Schütze Consult“ in Berlin.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.