„Ostmärkische“ Speerspitze der Ewiggestrigen

Deutschnationale Burschenschaften planen, sich im Mai auf dem Heldenplatz der Öffentlichkeit als „Hüter der Freiheit“ zu präsentieren. Das ist nichts als zynischer Geschichtsrevisionismus, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt.

Viel zu lange durften deutschnationale Burschenschaften in Wien auf dem Heldenplatz am 8.Mai die Niederlage Hitlerdeutschlands bedauern. Inzwischen gelang es der Zivilgesellschaft und später auch der Politik, die Trauer ob der Niederlage durch ein „Fest der Freude“ über die Befreiung Österreichs und die Kapitulation der Nationalsozialisten am 8.Mai zu ersetzen.

Das diesjährige Bemühen, im Mai neue Ersatzhandlungen durch ein „Fest der Freiheit“ zu setzen, in denen sich deutschnationale Burschenschaften mit ihren antisemitischen Traditionen als traditionelle Hüter des Freiheitsgedankens von 1848 präsentieren wollen, ist zynischer Geschichtsrevisionismus.

„Nur Deutsche und Christen“

Notwendig zur Richtigstellung ist deshalb ein historischer Überblick: Selbst in der Urburschenschaft 1815 wurde bereits verlangt , dass nur „ein Deutscher und Christ“ Mitglied werden könne. 1817 wurde auf der Wartburg mehr als ein Jahrhundert vor dem Nationalsozialismus „undeutsche“ Literatur verbrannt; 1820 wurde Heinrich Heine aus seiner Burschenschaft ausgeschlossen.

1831 wurde kurzfristig der „Arierparagraf“ zurückgenommen. Nach 1848 gewannen die „Völkischen“ wieder die Oberhand und verbündeten sich in der Folge mit der politischen Reaktion.

Der Verrat der demokratischen Ideale verstärkte den Antisemitismus, nach der Reichsgründung 1871 radikalisierte er sich sowohl in Deutschland als auch in der österreichisch-ungarischen Monarchie. 1883 verließ Theodor Herzl die Burschenschaft Albia nach antisemitischen Exzessen.1896 erlaubten die Waidhofener Beschlüsse kein Duell mehr mit Juden.

1938 erfolgte durch die Nazibehörden ein Verbot von Verbindungen. Im Gegensatz zu katholischen und monarchistischen Verbindungen (die „Ottonia“ ging in den Widerstand) gliederten sich die deutschnationalen Verbindungen in feierlichen Übertrittsveranstaltungen in NS-Organisationen ein und existieren als Kameradschaften weiter.

Noch Jahre später, schon in der Zweiten Republik, betonte die Festschrift einer österreichischen Burschenschaft, dass „1938 der Traum der Deutschen Burschenschaften Wirklichkeit wurde“. Viele Nazigrößen waren Burschenschafter. Nach Wiedererrichtung von Burschenschaften blieben einige Naziverbrecher weiterhin angesehene „Alte Herren“.

Die Spur der Burschenschafter zieht sich als treibende Kraft von rechtsextremen Demonstrationen und Zwischenfällen durch die Zweite Republik – seien es 1959 die Schillerfeiern, 1961 die Schändung des jüdischen Friedhofes in Innsbruck oder 1965 die Kundgebungen für Taras Borodajkewycz mit Rufen und Transparenten „Hoch Auschwitz“.

Rechtsruck nach 1980

Nach 1980 kommt es durch die vom Wiener Korporationsring (WKR) dominierte „Burschenschaftliche Gemeinschaft“, der es gelingt, den Verband der Deutschen Burschenschaften quasi zu übernehmen, zu einem weiteren Rechtsruck bei den Burschenschaften. So ist etwa in einem Pauk-Comment (der die Verhaltensregeln festlegt) einer österreichischen Verbindung zu lesen: „Genugtuungsfähig auf Schläger ist jeder ehrenhafte arische Mensch.“ Auftritte von Rechtsextremisten wie Pierre Krebs oder Reinhold Oberlercher auf den Buden der Burschenschaften sind normal. 1983 verließ das Corps Symposion den WKR.

Der Rechtsextremismusbericht des Innenministeriums von 1994 bezeichnet Verbindungen in Wien und Innsbruck als „Kaderschmieden nationaler und rechtsextremer Gesinnung“. 1996 erlangt die Wiener Burschenschaft Olympia bei den Deutschen Burschenschaften den Vorsitz. Rechtsextremisten drängen die Deutschen Burschenschaften noch weiter nach rechts außen. Die „Ostmärker“ aus Österreich sind die Radikalsten.

Mehr als 40 liberal-konservative Verbindungen treten aus dem Verband in der Folge aus und gründen die NDB (Neue Deutsche Burschenschaft). 1995 wird der Verantwortliche der „Aula“, der Zeitung freiheitlicher Akademiker, nach dem Verbotsgesetz verurteilt.

Weitere Glanzlichter des in den Burschenschaften wehenden „freiheitlichen Geistes“: 2003 ein Liederabend mit Frank Rennicke, dem Sänger von: „Mit sechs Millionen Juden da fängt der Spaß erst an, da ist der Ofen an. Wir haben reichlich ZyklonB, bei sechs Millionen Juden ist noch lange nicht Schluss.“ 2005 wird David Irving unmittelbar vor einer Festrede am Stiftungsfest der Olympia, der von 1961 bis 1973 noch verbotenen Verbindung des ehemaligen Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf, verhaftet.

Der „schreckliche 8.Mai“

2006 veranstaltet die Olympia einen Abend mit Hans-Heinrich Sander vom „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten“. 2011 zitiert die „Aula“ Otto Scrinzi, wonach am 8.Mai, dem Tag der „totalen Niederlage, die schreckliche Katastrophe Wirklichkeit geworden war“. Die offen neonazistische und inzwischen geschlossenen Website „Alpen-Donau“ berief sich auf die Mitarbeit von Burschenschaftern, die Burschenschafter Felix Budin und Gottfried Küssel mussten sich deshalb vor Gericht verantworten.

2012 trat die deutsche Burschenschaft Hansea Mannheim wegen Hetze anderer Verbindungen gegen ein chinesischstämmiges Mitglied aus dem Dachverband der Deutschen Burschenschaften aus. Unter anderem sprachen sich ein früherer NDP-Kader und Vertreter der BG (Burschenschaftlichen Gemeinschaft) gegen eine „nicht europäische Gesichts- und Körpermorphologie, die auf Zugehörigkeit zu einer außereuropäischen populationsgenetischen Gruppierung und damit nicht deutsche Abstammung“ hinweise, aus.

Insgesamt sind bis dato 47 Verbindungen aus dem Verband ausgetreten. Er hat nur noch 76 Mitglieder, wobei die österreichischen Burschenschaften nach wie vor den „gesamtdeutschen“ Dachverband als Vertreter der extremen Rechten dominieren.

Unverdiente Märtyrerrolle

Weder die Berufung auf 1848 noch andere Schutzbehauptungen halten einer historischen Überprüfung statt. Im Gegensatz zu den katholischen Verbindungen und den meisten Corps haben die Burschenschaften in Österreich aus der Geschichte nicht gelernt, sondern sie bilden vielmehr in „ostmärkischer Tradition“ die Speerspitze ewiggestrigen Gedankengutes in den Burschenschaften.

Diese völkische deutschnationale Ideologie verlangt nach Wachsamkeit seitens der demokratischen politischen und zivilgesellschaftlichen Kräfte, bei denen die Erinnerung an die katastrophalen Folgen einschlägigen Gedankengutes nicht vergehen darf.

Entschiedenes Entgegentreten verlangt aber Differenzierungsfähigkeit in der politischen Analyse und in den Organisationsformen, die den Verdacht einer Duldung von Chaotentum, das die Burschenschaften nur in eine unverdiente Märtyrerrolle drängt, gar nicht erst aufkommen lässt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2014)

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