Retten wir das Funkhaus!

Das Radiokulturhaus in Wien ist ein Stück österreichische Identität. Sein Geist ist nicht beliebig übertragbar.

Das Funkhaus des ORF ist nicht irgendein Gebäude mit technischen und künstlerischen Aufgaben. Es ist ein Stück österreichische Identität. Den Einwand, dieses Gebäude sei erst nach dem 13.März 1938 eröffnet worden, kann man nicht ernst nehmen. Seine Architekten wirken wie ein Spiegelbild der Zeit vor dem sogenannten Anschluss: Heinrich Schmid und Hermann Aichinger. Beide waren Schüler von Otto Wagner und bekamen prominente Aufträge vom Roten Wien.

Clemens Holzmeister stand zwar der Regierung Schuschnigg näher als seine beiden Partner. Aber nach dem deutschen Einmarsch 1938 verlor er seine Professur an der Akademie der bildenden Künste ebenso wie seine Ämter als Präsident der Zentralvereinigung der Architekten und des Österreichischen Werkbundes. Im selben Jahr emigrierte er nach Istanbul. Dort arbeitete er als hoch angesehener Architekt und als Lehrer an der technischen Hochschule. Erst 1954 kehrte er zurück nach Wien.

Schon zur Zeit seiner Eröffnung war der in Form und Funktion hervorragende Bau das Radiokulturhaus – ein Ehrentitel, den er nach Jahrzehnten 1997 wieder erhielt. Der 1938 von den Nazis abgesetzte Generaldirektor Oskar Czeija, ein Mann der allerersten Radiostunden, kehrte im April 1945 in sein Amt zurück.

Erfolgreiche Radioserien

Nach den dunklen Jahren des Großdeutschen Rundfunks entwickelte sich in diesen Mauern ein Programm, das höchsten Ansprüchen genügen konnte – und kann. Die Zerstörungen der letzten Kriegsmonate wurden behoben, der Erweiterungsbau des Holzmeister-Schülers Gustav Peichl ermöglichte modernes Arbeiten.

Die regelmäßigen Übertragungen der Philharmonischen Abonnementkonzerte, der Konzertreihen der Wiener Symphoniker, die zahllosen Eigenproduktionen des eigenen Klangkörpers – nicht aus dem Kulturleben Österreichs wegzudenken. Gerade die Musik der RAVAG, später des ORF, hat zum Selbstverständnis Österreichs wesentlich beigetragen. 1947 hat das Wiener Funkorchester unter Leitung von Max Schönherr zusammen mit dem Chor des Wiener Schubertbundes die neue Bundeshymne uraufgeführt.

Aber auch ungemein erfolgreiche Serien kamen aus dem Funkhaus in der Argentinierstraße – die Interviews von Heinz Fischer-Karwin mit prominenten Bühnenkünstlern, seine Serie „Aus Burg und Oper“, Sonntag für Sonntag Heinz Conrads mit „Was gibt es Neues?“, die Rekordhaltersendung „Autofahrer unterwegs“.

Tausende hochbesetzte Hörspiele wurden hier produziert. Die Musik der Gegenwart hat in diesem Haus eine lebendige Heimat. Im Großen Sendesaal finden erstklassige Produktionen ein begeistertes Publikum.

Die Atmosphäre, der Geist des Hauses sind nicht auf Wunsch einer Handvoll von Technokraten und Bürokraten beliebig übertragbar – nicht nach St. Marx und nicht auf den Küniglberg. Gewiss, manche Studios des Hauses könnte man etwas aktueller gestalten. Allerdings ist die Finanzierung solcher Adaptierungen nicht möglich, weil gesperrt, wohl aus taktischen Gründen. Doch ein Umzug des gesamten Betriebs in das ORF-Zentrum wäre ungleich kostspieliger. Also – retten wir das Funkhaus!

Gerhard Tötschinger (*1946 in Wien) ist ein österreichischer Schauspieler, Intendant und Buchautor.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.