Unionsbürgerschaft als Handelsware?

Ein paar Anmerkungen zum Vorhaben Maltas, die Staatsbürgerschaft gegen Entgelt zu verleihen.

Das Vorhaben Maltas, die Staatsbürgerschaft als Handelsware anzubieten, schlägt innerhalb der EU hohe Wellen, ist doch damit auch der Erwerb der Unionsbürgerschaft verbunden. Und die Unionsbürgerschaft ist von hohem ideellen und praktisch-wirtschaftlichen Wert. Sie ist eingeführt worden, um den Bürgern der Mitgliedstaaten eine Vision zu bieten und der zunehmenden Skepsis an der Europaidee entgegenzuwirken.

Wie der EuGH im Urteil „Grzelczyk“ festgehalten hat, ist die Unionsbürgerschaft dazu bestimmt, der „grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten“ zu sein. Generalanwalt Jacobs prägte die Formulierung, wonach der Unionsbürger berechtigt sein soll, „Civis europeus sum“ zu sagen – mit all den damit verbundenen Rechten.

Diese Rechte ergeben sich primär aus der Wahrnehmung der Freizügigkeit, und diese beinhaltet nicht nur die Möglichkeit, im gesamten Gebiet der Union eine Arbeit aufzunehmen, sondern ist zunehmend stärker mit dem Anspruch auf Sozialleistungen verbunden, sodass mittlerweile schon der Vorwurf des „Sozialtourismus“ laut geworden ist.

Eine europäische Integration, die sich nur über den unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen rechtfertigen kann, wird sofort zur Diskussion stehen, wenn der Nutzen einmal weniger deutlich wird. Die Unionsbürgerschaft bietet dagegen eine weiterreichende Perspektive, losgelöst vom ökonomischen Kalkül.

Das Parlament zweifelt

Eine der Hauptursachen für das jetzige Problem rund um entgeltlichen Erwerb der Unionsbürgerschaft liegt darin, dass diese nicht autonom erworben werden kann, sondern an der Staatsbürgerschaft der Mitgliedstaaten hängt. Traditionell steht es den Staaten frei, über die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Gilt dies aber auch für die EU-Mitgliedstaaten? Allzu leichtfertig wurde dies zuletzt bejaht. Das Europäische Parlament scheint langsam daran zu zweifeln, deshalb hat es am 16.Jänner die Europäische Kommission beauftragt, diese Frage zu prüfen. Dieser Auftrag ist nicht einfach, liegen doch große Graubereiche vor, in deren Rahmen nicht nur rechtliche, sondern auch politische Wertungen zu treffen sind.

Maltas Rückzieher

Der EuGH hat nämlich im Urteil „Rottmann“ einerseits festgehalten, dass die „Voraussetzung für Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit nach dem Völkerrecht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt“. Andererseits hat er aber betont, dass „die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit im Bereich der Staatsangehörigkeit das Unionsrecht zu beachten“ hätten.

Eine Verletzung des Unionsrechts läge vor, würde ein Mitgliedstaat die Staatsbürgerschaft in großem Stil an Drittstaatsangehörige verleihen, ohne dass ein besonderes Loyalitätsband gegeben ist. Aber möglicherweise ist nicht ausschließlich ein quantitatives Kriterium anzuwenden.

Die entgeltliche Verleihung der Staatsbürgerschaft – und der Unionsbürgerschaft – steht in so radikalem Gegensatz zu der Philosophie, die der Einführung der Unionsbürgerschaft zugrunde lag und die die weitere Entwicklung dieses Konzepts bestimmen soll, dass Einbürgerungen dieser Art auch dann EU-rechtlich höchst bedenklich erscheinen müssen, wenn ihre Zahl gering ist.

Auf die heftige Kritik der EU hat Malta inzwischen mit der Einführung einer zusätzlichen Bedingung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft reagiert: Sie besteht in einem zwölfmonatigen vorherigen Aufenthalt. Diese Bedingung wird aber kaum genügen, die grundsätzlichen Bedenken gegenüber der maltesischen Staatsbürgerschaftsregelung zu zerstreuen.

Prof. Peter Hilpold lehrt Völkerrecht, Europarecht und Vergleichendes Öffentliches Recht an der Universität Innsbruck.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2014)

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