Die Griechen und der Deutsche Fuchtel

Merkels Mann fürs Praktische: Ein schwäbischer Staatssekretär soll den Griechen beweisen, dass es die Deutschen gut mit ihnen meinen.

Kyrie Fuchtel, kyrie Fuchtel, kalispera Sas!“, erscholl es von mehreren Tischen, als kürzlich ein großer massiger Mann mit rötlichen Kräuselhaaren und Schnurrbart das In-Lokal Gougou Meze im Zentrum von Athen betrat. Der Mann, den das Publikum in dem bis auf den letzten Platz besetzten Restaurant so freundlich grüßte, ist der nach Angela Merkel wohl bekannteste Deutsche in Griechenland. Mit sichtlicher Zufriedenheit meinte er zu seinem Begleiter: „Sehen Sie, die Leute hier kennen und mögen mich.“

Hans-Joachim Fuchtel ist der Griechenland-Beauftragte der deutschen Bundesregierung. Vor vier Jahren, die Griechenland-Krise war schon ausgebrochen, wollte die deutsche Kanzlerin etwas tun, um die gestörte Stimmung zwischen Deutschland und Griechenland zu verbessern, und gründete mit dem damaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Georgios Papandreou die Deutsch-Griechische Versammlung. Sie soll Städtepartnerschaften neuen Stils begründen, die nicht mehr wie früher Reisebüros für Bürgermeister sind, sondern praktische Hilfe auf allen Feldern der kommunalen Arbeit liefern.

„Europa an den Wurzeln zusammenbinden“, nennt Fuchtel das und erntet damit auf allen Podien Zustimmung, sogar wenn das edle französische Wochenmagazin „Nouvel Observateur“ in Athen eine hochintellektuelle Debatte mit lauter EU-Größen abhält. Den vermeintlich gemütlichen Deutschen hört man dort gern, auch weil man weiß, dass Merkel hinter ihm steht. Er bringt einen rauen Hauch von Wirklichkeit und praktischer Erfahrung in die sterilen Hörsäle. Bei Fuchtel ist die Person das Programm.

Er begnügt sich schon längst nicht mehr damit, Partnerschaften zwischen deutschen und griechischen Gemeinden zu vermitteln, obwohl er auch das noch immer gern macht. Im letzten Herbst hat in Nürnberg eine Tagung der Deutsch-Griechischen Versammlung stattgefunden, an der ein Fünftel aller 325 griechischen Bürgermeister teilgenommen hat. Das ist Fuchtels großer Stolz, ein gerahmtes Großfoto von der Veranstaltung bringt er seither überallhin als Gastgeschenk mit.

Fuchtels Ambition geht über Feuerwehr, Müllabfuhr, Fremdenverkehr, moderne bürgernahe Verwaltung, Katastrophenschutz, Abwasserwirtschaft und Energieversorgung hinaus: Er möchte die duale Berufsausbildung mit Lehrplatz und paralleler Schulausbildung, die in Deutschland (und auch in Österreich) so erfolgreich ist, nach Griechenland verpflanzen. In Kreta und Athen hat er schon Schulen gegründet, nun soll eine weitere in Saloniki speziell für Tourismusberufe errichtet werden.

Das Gebäude hat Fuchtel schon aufgetrieben, für die Organisation von Unterricht und Lehrern hat er eine sehr selbstbewusste junge griechisch-deutsche Tourismusexpertin, die in Deutschland studiert hat, gewonnen. Den Behörden der Region Makedonien-Thrakien, deren Unterstützung er für die Schulprojekte braucht, winkt er mit den vier Milliarden, die die EU für die „Ausbildungsgarantie“ zur Verfügung gestellt hat. Um das Geld abzurufen, braucht man realisierungsreife Projekte, aber die griechische Bürokratie ist mächtig und zäh. Wenn dann das lächerliche Problem einer Dachreparatur nicht gelöst werden kann, kann Fuchtel auch ungemütlich werden.

Spätestens bei solchen Gelegenheiten merkt man, wie hier verschiedene Mentalitäten aufeinandertreffen. Der ungeduldige Deutsche und die Griechen, denen so viel Tatendrang und Zielstrebigkeit nicht ganz geheuer sind. Das schwäbische „Schaffe, net schwätze“ hat Fuchtel in ein „Schaffe und schwätze“ umgewandelt. Er tut viel und redet gern darüber. Neben Fleiß und Sparsamkeit hat er aber auch eine Unbeirrbarkeit und wenn nötig eine derbe Durchschlagskraft.

Alles – außer Geld

In vier Sechzehn-Stunden-Tagen fährt Fuchtel quer durch Griechenland, gründet einen Verein für griechische Rentner aus Deutschland, eröffnet eine Feuerwehrtagung und ein Büro für die Deutsch-Griechische Versammlung, führt sehr praktische Beratungsgespräche mit Bürgermeistern, besucht eines seiner Schulprojekte, trifft alte Bekannte aus der Politik. Immer ist er begleitet von einer großen Schar von Experten, die in diverse Projekte ausschwärmen. In Athen bekommt er selbstverständlich einen Termin beim Ministerpräsidenten, zu dem er seine ganze Delegation mitnimmt. Auch das gehört zu seinen Methoden: Immer wieder Politiker aus Berlin nach Griechenland zu bringen, damit diese sich ein Bild machen können und daheim seine Arbeit absichern helfen. Für das Projekt der dualen Ausbildung hat er sich jedenfalls die Zustimmung von Antonis Samaras schon geholt.

Der Deutsche kann alles liefern: Expertise, aber auch praktische Hilfe, ja sogar deutsche Freiwillige, die in Griechenland im Sommerurlaub Waldbrände bekämpfen und einheimische Kollegen ausbilden, statt am Strand herumzuliegen. Nur eines kann – und will – er nicht liefern: Geld. Manche haben ihn deshalb in Verdacht, nur der Wegbereiter für deutsche Firmen zu sein. Das kann er leicht entkräften, indem er auf viele griechische Freunde, Politiker, Unternehmer verweist, die ihn unterstützen. Eine befreundete Managerin in einer Reederei transportiert für ihn kostenlos Feuerwehrautos nach Kreta.

Aber er begegnet auch unverhohlener Gegnerschaft, die sich offen bei einem Gespräch mit Parlamentsabgeordneten in Athen zeigte. Die Politiker der linken Parteien Pasok und Syriza interessierten sich weder sehr für moderne Energiewirtschaft oder Müllentsorgung und auch nicht für die duale Ausbildung. Ersteres halten sie für zu teuer für Griechenland, und überhaupt wolle Fuchtel nur deutsche Vorstellungen exportieren, die für Griechenland nicht anwendbar seien.

In einer anderen Lieblingsidee Fuchtels, einer Mittelstandsbank, auf der griechische Rentner ihre Pensionen aus Deutschland einlegen sollten, sehen sie nur eine List, mit einer deutschen Bank Griechenland zu unterwandern.

Ein Pasok-Abgeordneter sagte ganz offen, was er sich eigentlich nur wünscht. Noch mehr Geld, einen „Marshallplan für Griechenland mit nicht rückzahlbaren Krediten. Das muss auch die deutsche Regierung akzeptieren“, meinte er ultimativ. Das war sogar einer deutschen Abgeordneten der Linken, die sich sonst offen mit ihren Kollegen von Syriza solidarisierte, zu viel: „Verlangen Sie doch nicht immer neues Geld vom Ausland, sondern sorgen Sie dafür, dass die Griechen ihr Geld im eigenen Land investieren.“

Fuchtel, wohl wissend, wie heikel die Situation ist und dass er sich hier wenig Freunde machen werde, teilte den Gesprächspartnern zunächst mit, dass seine Arbeit „von allen Parteien im Bundestag getragen wird“. Das beeindruckte sie wenig. Am Schluss kam er mit einer freundlichen Aufmunterung: „Mit dem, was wir hier tun, betreten wir Neuland in Europa. Wir wünschen uns und sind überzeugt, dass am Ende der vielen Entbehrungen, denen Ihre Bürger ausgesetzt sind, ein Erfolg stehen wird.“

E-Mails an:debatte@diepresse.com

DER AUTOR

Hans Winkler war langjähriger
Leiter der Wiener Redaktion der
„Kleinen Zeitung“.

Debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2014)

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