Orbán kocht: Wie scharf würzt er sein Gulasch?

Karikatur: Peter Kufner
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Die nationalkonservative Regierung in Budapest ist zuletzt deutlich zurückhaltender aufgetreten. Einen neuerlichen Wahlerfolg am 6. April vor Augen, dürfte Premier Viktor Orbán den Herd aber wieder kräftig aufdrehen.

Derzeit köchelt das Gulasch in den ungarischen Regierungshallen ziemlich leise vor sich hin. Die rechtsnationale Regierung von Viktor Orbán agiert nach einer Serie von Fausthieben in die Magengegend der EU nur auf kleiner Flamme und lässt seit einem Jahr kaum mehr von sich hören. Nur das Theater um die Enteignung der burgenländischen Bauern brachte den österreichischen Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter kurz ins Schwitzen. Hintergrund der Zurückhaltung ist die am 6. April stattfindende Parlamentswahl in Ungarn.

Nachdem die Orbán-Regierung nun vier Jahre lang das Land mit Zweidrittelmehrheit regiert hat, ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Viele Kritiker sind der Meinung, dass eine Reihe von Maßnahmen der Orbán-Regierung antidemokratische Tendenzen aufweisen. Es stellt sich vor allem die Frage, ob die Gesetzgebung der vergangenen Jahre tatsächlich eine Gefahr für die ungarische Demokratie darstellt.

Orbáns eigene Verfassung

Fest steht jedenfalls, dass das neue ungarische Grundgesetz nicht unbedingt notwendig war, da die alte Verfassung rechtsstaatliche und demokratische Elemente gewährleistet hatte und daher der sachliche Druck für eine neue Verfassung nicht erkennbar war. Die Orbán-Regierung wollte aber ihre eigene Verfassung.

Erkennen lässt sich dies vor allem an der fehlenden Einbeziehung der anderen Parlamentsparteien und am raschen Verfahren der Erarbeitung und Beratung der neuen Verfassung. Jedoch lässt sich die Verabschiedung des neuen Grundgesetzes nicht als undemokratisch bezeichnen, zumal die Orbán-Regierung durch ihre Zweidrittelmehrheit demokratisch legitimiert ist.

Ähnlich lässt sich das neue ungarische Wahlgesetz qualifizieren, das im Zuge der neuen Verfassung in Kraft trat. Dieses neue Wahlgesetz enthält die allgemeinen Grundprinzipien der freien, fairen, gleichen und periodischen Wahlen. Der Machterhalt der Fidesz-Partei ist also nicht automatisch gegeben. Jedoch lässt sich sehr wohl ein möglicher Vorteil für Fidesz bei der kommenden Parlamentswahl erkennen. Denn die Neudefinition der Wahlkreise erfolgte zugunsten der nationalkonservativen Partei. Auch die einseitige Besetzung der Wahlkommission lässt Spielraum für Manipulationen.

Weitaus klarer können hingegen die neuen Kompetenzregelungen für das Parlament und den Verfassungsgerichtshof als antidemokratisch interpretiert werden.

Die Möglichkeit, dass ein von der Fidesz geschaffener und besetzter Haushaltsrat eine faktische Vetomacht bei der Budgeterstellung besitzt und somit bei der Nichterstellung des jährlichen Budgets Neuwahlen drohen, stellt schon eine sehr fragwürdige Entwicklung des ungarischen Parlamentarismus dar. Erschwerend kommt hinzu, dass die Laufzeit des neu geschaffenen Haushaltsrates über die derzeitige Legislaturperiode hinausgeht und auch künftige Regierungen von anderen Parteien betreffen könnte.

Eingeschränkte Kompetenzen

Neben dem Parlament wurden auch die Kompetenzen des Verfassungsgerichts eingeschränkt. Dieses kann erst wieder über Steuer- und Finanzgesetze urteilen, wenn die Staatsverschuldung unter 50 Prozent des gesamten Bruttoinlandsproduktes liegt. Die Definition des gesamten Bruttoinlandsproduktes wird in der neuen ungarischen Verfassung nur sehr unklar definiert. Durch diese Einschränkung lässt sich ein Kontrollverlust des Verfassungsgerichts durch die derzeitige Regierung feststellen. Verstärkt wird dieser Kontrollverlust durch die personelle Gleichschaltung des Verfassungsgerichtshofs durch die Orbán-Regierung.

Auch die eingeschränkte Unabhängigkeit der Gerichte wurde heftig kritisiert. Die Problematik besteht darin, dass die enormen Machtkompetenzen und die ausgedehnten Amtszeiten der von Fidesz bestellten Präsidentin des neu geschaffenen Landesgerichtsamts bedenklich sind. Die Befugnisse, in laufende Gerichtsverfahren einzugreifen und diese nach eigenem Ermessen unterschiedlichen Richtern zuzuweisen, lässt Impulse erkennen, die Gerichte künftig möglicherweise nicht mehr unabhängig arbeiten zu lassen.

Die Zuweisung von Finanzmitteln durch das Landesgerichtsamt an einzelne Gerichte, durch die das Amt Gerichte belohnen oder maßregeln kann, verstärkt die Bedenken hinsichtlich einer vielleicht fehlenden Unabhängigkeit der Gerichte. In der Praxis bestätigen sich diese Tendenzen noch nicht.

Gefährdete Medienfreiheit

Die neue Medienbehörde, deren Amtszeit länger als zwei Legislaturperioden dauert und die einseitig von Fidesz besetzt wird, könnte eine langfristige Beeinflussung der öffentlich-rechtlichen Medien in Gang setzen. Vor allem, weil diese Behörde befugt ist, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk über die Berichterstattung zu entscheiden. Dadurch ist ein Teil des freien kollektiven Meinungsbildungsprozesses über die zu wählenden politischen Herrschaftspositionen durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr gegeben. Dass die Frequenzvergabe für Sendelizenzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch die Medienbehörde erfolgt und daher der Regierungsmehrheit obliegt, ist eine sehr bedenkliche Tatsache.

Aus diesem Grund könnte man zu der Feststellung kommen, dass in Ungarn die Medienfreiheit nicht mehr gegeben ist. Allerdings wurde in der Praxis noch keinem regierungskritischen Sender eine Frequenz verweigert. Es gibt abseits vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch private Medien, die völlig frei und auch kritisch über die Orbán-Regierung berichten.

Zugriff auf Schlüsselpositionen

Die Gefahr für die ungarische Demokratie besteht vor allem darin, dass Fidesz durch die Verfassungsänderungen versucht, sich auf lange Zeit einen Monopolzugriff auf die wichtigsten Schlüsselpositionen in den staatlichen Institutionen zu sichern. Darum werden die Maßnahmen der Orbán-Regierung selbst ohne Regierungsbeteiligung der Nationalkonservativen auch in den kommenden Legislaturperioden Wirkung zeigen.

Künftige Regierungen mit anderen Zusammensetzungen werden es schwer haben, die von der Orbán-Regierung verfügten Schritte ohne eine Zweidrittelmehrheit wieder rückgängig zu machen. Auch die parlamentarische Arbeit künftiger Regierungen könnte durch die starken Vetopositionen und die enormen Kompetenzen der neu geschaffenen Gremien stark eingeschränkt werden. Ob dies passieren wird, ist derzeit aber reine Spekulation und bedarf einer weiteren Beurteilung nach der nächsten Parlamentswahl.

So gut wie sicher ist jedoch, dass Orbán und seine Fidesz-Partei auch in der nächsten Legislaturperiode das Gulasch wieder anständig zum Kochen bringen werden. Die aktuellen Umfragen prognostizieren den Nationalkonservativen erneut eine absolute Mehrheit. Man darf also gespannt sein, womit Orbán sein Gulasch würzt und wer sich die Zunge verbrennt!

Der Autor

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Benedikt Lentsch
(*1987) studiert nach seinem Abschluss der Politikwissenschaft an der Universität Wien seit 2013 an der Universität Innsbruck im Masterstudiengang Europäische Politik und Gesellschaft. Ungarn gehört zu seinen Forschungsschwerpunkten. Ein Beitrag zum Thema „Demokratiedefizit in Ungarn“ ist kürzlich im „Jahrbuch für Ostrecht“ erschienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2014)

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