Krim-Krise 2014: Es geht nicht nur um die Ukraine

Gastkommentar. Auf dem Spiel stehen Grundprinzipien zwischenstaatlicher Beziehungen.

Seit November letzten Jahres haben sich die Menschen in der Ukraine dafür eingesetzt, ihre Zukunft selbst bestimmen zu können. Sie wurden dadurch weltweit zum Symbol für Mut und friedlichen Wandel. Auch die internationale Gemeinschaft steht vereint hinter der Ukraine: Sie respektiert die Souveränität wie die territoriale Integrität der Ukraine, sie unterstützt die ukrainischen Bürger bei ihrer Entscheidung, auf welche Weise ihr Land geführt werden soll.

Es geht hier aber nicht nur um die Ukraine. Es geht auch um die Grundprinzipien zwischenstaatlicher Beziehungen im 21.Jahrhundert. Präsident Barack Obama erklärte vor Kurzem in Brüssel, dies sei ein „Test für Europa, die USA und die internationale Ordnung, die wir über Generationen aufgebaut haben“. Diese Ordnung basiert auf einer Reihe von Grundprinzipien, allen voran der Achtung staatlicher Souveränität und territorialer Integrität.

Nur weil Russland eine lange gemeinsame Geschichte mit der Ukraine hat, bedeutet das nicht, dass es auch die Zukunft der Ukraine diktieren kann. Am 27.März stimmten 100 Mitgliedstaaten in der UN-Vollversammlung für die Grundprinzipien der UNO-Charta, für die Wahrung der ukrainischen Souveränität und territorialen Integrität und gegen Russlands unrechtmäßigen Eingriff.

Janukowitsch lief davon

Der frühere Präsident, Viktor Janukowitsch, gegen den sich die Proteste seit November 2013 gerichtet hatten, tauchte zunächst tagelang unter und verließ schließlich sein Land. Die demokratisch gewählten Volksvertreter der Ukraine reagierten auf das entstandene Machtvakuum. Sie wählten eine technokratische Übergangsregierung und organisierten Wahlen zum frühestmöglichen Zeitpunkt.

Noch in diesem Monat wird die Übergangsregierung wirtschaftliche und politische Reformen vorschlagen, um die Mitsprache aller Bürger zu gewährleisten. Am 25. Mai wird die Bevölkerung der Ukraine schließlich einen neuen Präsidenten wählen, der die Zukunft des Landes nach den Vorstellungen der Bürger gestalten soll.

Offensichtlicher Landraub

Unterdessen hat Russland auf der Krim die internationale Rechtsordnung verworfen und jeglichen Begriff der Rechtsstaatlichkeit ad absurdum geführt. Das überstürzte, erzwungene und illegale „Referendum“, das noch dazu vor dem Hintergrund einer ausländischen Militärintervention stattfand, wurde nur dazu verwendet, um einen offensichtlichen Landraub zu rechtfertigen. Der Präzedenzfall kann so nicht stehen bleiben.

Die Krim gehört zur Ukraine. Die Welt hat sich nicht irreführen lassen. Sie hat nie daran geglaubt, dass das von Russland konstruierte Referendum auch nur in irgendeiner Form die brutale Okkupation rechtfertigt. Wir tun dies jedoch nicht, um Russland auszugrenzen, sondern um die Prinzipien, die für Europa von großer Bedeutung sind, hochzuhalten.

Die USA, Österreich und die gesamte Welt haben mehr Interesse an einem starken und verantwortungsvollen Russland als an einem schwachen Russland.

In den kommenden Wochen müssen wir von Kiew über Washington bis Wien für die Rechte jener mutigen Menschen einstehen, die gegen korrupte und autoritäre Führer aufbegehren. Die Bürger der Ukraine haben um unsere Unterstützung gebeten bei der Abhaltung der Wahlen und der Durchführung von Reformen. Im Interesse eines gemeinsamen, freien und friedlichen Europas müssen wir daher hinter ihnen stehen.

Lee A. Brudvig ist seit August 2012 Gesandter der US-Botschaft in Wien. Seit 1984 ist er im diplomatischen Dienst. Er hat einen Master in Economics von der Yale University und einen Master in International Relations von der Georgetown University.
E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2014)

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