Der Präsident als Propagandist

Serbiens Staatschef, Tomislav Nikolić, hat in einem „Presse“-Interview nur alte Belgrader Lügen zum Kosovo neu aufgewärmt

Um die Idee, dass Serbien Opfer eines internationalen Komplotts sei, am Leben zu erhalten, hat der Präsident Serbiens, Tomislav Nikolić, im Interview mit der „Presse“ (5.April) lediglich einige Hauptpunkte der alten Propaganda des Regimes von Slobodan Milošević in der Kosovo-Frage wiederholt.

Angeblich wurden die Zerstörungen, die das Belgrader Regime im Kosovo angerichtet hatte, erfunden, um eine militärische Intervention der Nato zu rechtfertigen; angeblich wurde die Ermordung albanischer Zivilisten in Reçak inszeniert, um Serbien bombardieren zu können; die mit Leichen von Albanern gefüllten Gräben dienten dazu, die Serben als Übeltäter zu präsentieren; die Intervention europäischer Staaten und der USA erfolgte im Widerspruch zu internationalem Recht usw.

Schon lange vor der militärischen Intervention der Nato wies der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Jahr 1998 in den Resolutionen 1166, 1199, 1203 und 1207 auf die Gefahr einer humanitären Katastrophe, die dem Kosovo durch die Gewalt der bewaffneten Polizei- und Militärkräfte Jugoslawiens drohte, hin. Anstatt aber internationale Verpflichtungen zu erfüllen, führte Serbien die kriegstreiberische Politik mit der Absicht eines Genozids fort. Teil dieses berüchtigten Vorhabens war auch der jetzige serbische Präsident, Tomislav Nikolić.

Wiederholung früherer Lügen

Massenmorde, Massaker, Vergewaltigungen, Zerstörungen, Brandstiftungen und Vertreibungen wurden nicht erfunden, um einen militärischen Eingriff zu rechtfertigen. Und weder die Intervention der Nato zur Beendigung der humanitären Katastrophe noch die Verkündung der Unabhängigkeit des Kosovo stehen im Widerspruch zu internationalem Recht.

Die Ermordung albanischer Zivilisten im Dorf Reçak am 15.Jänner 1999 war ein Ereignis, das im Kosovo das Fass zum Überlaufen brachte. Die serbische Ablehnung einer politischen Lösung und die anhaltende Gewalt im Kosovo führten zum Militäreinsatz der Nato. Trotz der Tatsache, dass die Untersuchungen finnischer Pathologen, die von der Europäischen Gemeinschaft zur rechtsmedizinischen Untersuchung der 42 Leichen von Albanern beauftragt worden waren, nachwiesen, dass in Reçak unschuldige Zivilisten hingerichtet worden waren, blieb die Belgrader Propaganda 15 Jahre lang unverändert. Sie wiederholt die Lügen, die der Stab von Slobodan Milošević erfunden hatte – wie auch die Aussagen von Präsident Nikolić wieder zeigten.

Bilanz der serbischen Gewalt

Während des Krieges haben serbische Sicherheitskräfte 13.290 Menschen ermordet, noch immer gelten 1450 Personen als vermisst; 1392 der Ermordeten waren Kinder, 1739 waren Frauen. Auch wurden 20.400 Frauen sexuell missbraucht. Was die Zerstörungen betrifft: 1998/1999 wurden im Kosovo 123 Gesundheitseinrichtungen, 93Bibliotheken, 30 Kulturhäuser, 215 Moscheen sowie muslimische Schreine, fünf katholische Kirschen, 88.101 Häuser und Nebengebäude zerstört.

Welche Motive hat Serbiens Präsident Tomislav Nikolić, wenn er die Ausmaße serbischer staatlicher Gewalt im Kosovo herunterspielt? Bis jetzt widersetzen sich die Verantwortlichen des Regimes in Belgrad der Einsicht, welche Verbrechen den Albanern von serbischer Seite zugefügt wurden. Sie sind auch nicht bereit, die Verantwortlichen vor ein Gericht zu stellen.

Was die neuen Führer mit der alten Mentalität in Belgrad aber endlich zur Kenntnis nehmen müssten, ist die Tatsache, dass die Republik Kosovo ein unabhängiger Staat ist. Diesen Prozess können auch die Lügen Belgrads und auch die Fälschungen von Skandalpolitikern wie Dick Marty nicht rückgängig machen.

Jakup Krasniqi (*1951) ist seit 2008 Präsident des Parlaments der Republik Kosovo und Mitbegründer der neuen Partei Initiative für Kosovo (NK).

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2014)

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