Bitte keine derart bösen Kapitalisten-Pornos spielen!

Macht es wie Essl: mit dem Familienschmuck vors Bundeskanzleramt.

Da verlangt jemand, nachdem er seine Firma super ruiniert hat, eine unwahrscheinliche Summe: 86 Millionen, vom Staat, für rund 7000 Sachen, die kaum jemand je alle gesehen hat, zur „Rettung“ von kolportierten 4000 Arbeitsplätzen. (Stünde so etwas in einem befindlich-belehrenden Märchen, dann meinte man zu Recht: „Bitte keine derart bösen Kapitalisten-Pornos spielen!“)

Egal. Es ist eh schon wieder anders. Alle sind so lieb und die Hintergründe sowieso noch viel seltsamer. Egal. Nur nicht zum Rechnen anfangen.

Hätte ich Steuerschulden, dann brächte ich jetzt also den Familienschmuck und ein paar geerbte Bilder vors Bundeskanzleramt und schrie: „Abkaufen! Sonst verhungert ein Dutzend Menschen, die von mir abhängig sind!“ Außerdem will ich, dass Österreich mir und anderen Komponisten oder Literaten für unseren Nachlass als Vorlass – sagen wir – je 86.000 Euro gibt. So je ein Tausendstel einer weitgehend unbekannten Privatsammlung werden wir doch noch wert sein?

Lieber nicht! Obwohl die kolportierte Rettungssumme sowieso alle österreichischen Privattheater verhöhnt, fast alle Maler und Malerinnen, die nicht der kleinen Seitenblicke-Kunstnomenklatura angehören noch dazu. Von den vielen in Österreich, die hier leicht darbend bessere Musik machen als das auf 95 Prozent der Erde passiert, nicht zu reden.

Die Mühlen der Finanz

Würden 86 Euro-Millionen über staatlich nicht voll ausgehaltenen Kunstszenen ausgeschüttet, Österreich wäre ein viel gerühmtes, ein zukunftsreiches großer Töchter & Söhne; dieses unser Volk, begnadet für das Schöne.

Allein, Achtung! Bekomme ich – sagen wir – für irgendetwas tatsächlich 86.000 Euro, dann komme ich in Mühlen. Die Finanz wird über mich herfallen. Man kann sich vor der nur mittels eines kostspieligen Steuerberaters halbwegs schützen. Ich werde staatlicherseits sofort weiterer Geschäftemacherei verdächtigt und zudem in eine Fast-20-Prozent-Progression getrieben, die einen vernichten kann.

Viel geprüfte Österreicher

Sie sollten nun ja nicht versuchen, mit dem neuen Geld weitere Kunst- oder Kulturarbeiten zu initiieren. In kurzer Zeit zahlen Sie mehrere Krankenkassenbeiträge, von denen sie aber jeweils nur einen nützen dürfen (ja, richtig, „dürfen“). Leute, mit denen Sie ob des von der Republik zugestandenen Tausendstels weiter kreativ agieren, werden der Republik auffällig sein. Man wird Ihre und deren Steuermeldungen durchsuchen und manche Ihrer Kollegen damit in den Ruin treiben.

Dann können Sie mit einem Bedürftigenausweis jene leeren Ausstellungen billig besuchen, die der Staat nach Ankauf von Sammlungen, nach Tilgung von Künstlersteuerschulden in Millionenhöhen durch kaum nachvollziehbare Kunstübernahmen oder durch die Errichtung von absurden Widmungsmuseen zu Lebzeiten angehäuft hat. Dort werden Sie hervorragende arbeitslose Schauspieler aus den freien Szenen treffen, die pro Produktion (Stichwort aktuell: mit Zwölf-Stunden-Tag) weniger verdienen als die notwendig eingestellten Museumsaufpasser.

Nicht zu reden von österreichischen Musikmenschen, denen mehr als die Hälfte des zustehenden Geldes weggenommen wird (Stichwort aktuell: Urheberrecht ist scheiße!). Ganz zu schweigen von jenen, welchen man seinerzeit durch angebliche Managementmäzene plus staatliche Kunstförderungs- und Kunstauffangstellen Werte entzog. Kunst, die später als Jammerpfründe und Gegengeschäft bei wirtschaftlicher Unfähigkeit herhalten muss. Viel geprüfte Österreicher.

Dr. Otto Brusatti (* 1948) ist Autor, Regisseur und Medienmacher.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2014)

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