Die Freude an Aufständen

Medienmacher bedienen ihr Publikum nur zu gern mit Gruselgeschichten aller Art von den diversen Konfliktschauplätzen.

Von Nestroy stammt das Zitat: „Das Volk ist wie ein Kind in der Wiege: Es glaubt, es liegt schlecht, steht auf, fällt heraus und liegt dann schlechter als vorher.“ Unsere Medienmacher, egal von welcher Fraktion und welcher Technologie sie sich bedienen, demonstrieren eine naive Freude an Aufständen.

Sie berichten uns das, was sie gerne hätten und was ihnen vielleicht Studienkollegen aus Ägypten vorgeschwärmt haben. Ob es nun der Arabische Frühling war oder die Orange Revolution, an die sich keiner mehr erinnern will, man bediente das österreichische Publikum mit Gruselgeschichten.

Aber das war schon zu Goethes Zeiten so. Erfreute sich doch der Spießbürger daran, wenn weit hinten in der Türkei die Völker aufeinander einschlugen. Bei uns ist ja nichts los. Und wenn dann ein paar Kasperln in komischer Verkleidung aufmarschieren und sich als starke Männer vorkommen, weil sie sich mit dem Schläger in die Fresse hauen, dann ist das schon etwas, worüber man berichten kann. Wenn der Österreicher aber das Grauen in Syrien vom Fernsehen in die Wohnung gespielt bekommt, dann freut er sich, dass er in einem ruhigen und sicheren Land lebt und im Schoße der EU zusätzliche Sicherheit genießt. Das wäre immerhin etwas Positives.

Fuchteln mit Gummischwert

Nun hat es aber auch die Politiker erfasst – und sie betätigen sich in einer verbrecherischen Art und Weise an den Aufständen. In Syrien werden beiden Seiten Waffen geliefert: Die Russen liefern dem Assad-Regime Waffen, die Saudis den Aufständischen. Die Weltöffentlichkeit brauchte viele Monate, um draufzukommen, dass es sich um einen religiös unterfütterten Bürgerkrieg handelt. Millionen sind seither in unsagbares Elend gestürzt worden, und wir Europäer sollen jetzt helfen.

Nur wer besonders naiv ist, kann übersehen, dass bei jüngsten Interventionen in lokalen Konflikten bei den Interventionisten die Innenpolitik eine große Rolle spielt. US-Präsident Barack Obama wird von der Teaparty-Bewegung als „Waschlappen“ hingestellt, nun kann er wortgewaltig im Ukraine-Konflikt mitmischen. Er hat sogar Recht, wenn er sagt, dass sein russischer Kollege Wladimir Putin für die Annexion der Krim noch viel zahlen wird müssen.

Tatsächlich ist die Krim ein Armenhaus, und die Krimbewohner freuen sich schon auf die höheren Pensionen, die ihnen Putin versprochen hat. Und Putin selbst – daheim nicht völlig unumstritten – braucht die nationalistische Aufwallung, die ihm der Aufstand der Russen in der Ukraine bietet.

Einige Mitgliedstaaten der EU – vor allem die Engländer, die weit vom Schuss sind – fuchteln mit dem Gummischwert der Sanktionen, wobei es nur vernünftig ist, im Falle der baltischen Staaten und Polens der Russischen Föderation zu signalisieren, dass hier eine klare Grenze ist. Aber mit den Polen wird sich Putin sowieso nicht einlassen, hat doch schon Churchill gesagt, dass sich Stalin an der polnischen Gans überfressen wird. Und recht hat er gehabt.

Dr. Heinz Kienzl (* 1922 in Wien), war von 1973 bis 1993 Generaldirektor und Erster

Vizepräsident der Oesterreichischen Nationalbank.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2014)

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