Wer sitzt eigentlich im Publikumsrat des ORF – und warum?

Gastkommentar. Wenn die Behinderten jemand vertritt, der ihre Probleme nicht kennt.

Laut dem ORF-Gesetz (§28 Abs4) sollen genau definierte Bereiche beziehungsweise Gruppen im Publikumsrat repräsentiert sein. Dazu gehören auch „die behinderten Menschen“. Zu diesem Zweck hat der Bundeskanzler beziehungsweise der zuständige Medienminister Vorschläge von Einrichtungen bzw. Organisationen einzuholen, die für ebendiese Gruppen repräsentativ sind. Diese Vorschläge hat er wiederum im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ bekannt zu machen.

Damit ist dem Gesetz offenbar auch schon Genüge getan, wenn man die weitere Vorgehensweise des Ministers bei der jüngsten Bestellung der Mitglieder betrachtet.

Beschwerde eingebracht

Anstatt für die Vertretung der Interessen und Wünsche behinderter Menschen einen der hoch qualifizierten Selbstvertreter zu bestellen, die von den zuständigen Behindertenorganisationen fristgerecht nominiert worden sind, wurde der nicht behinderte Geschäftsführer der Volkshilfe, Erich Fenninger – erneut! – in diese Funktion berufen.

Ohne Fenninger persönliches Engagement und fachliche Kompetenz in Sozialfragen absprechen zu wollen, stellt sich schon die Frage: Wie wird er die Interessen behinderter Menschen, die er nur als Leiter von Sozialprojekten kennt, einbringen können?

Dies umso mehr, als er es während der vergangenen vier Jahre als Publikumsrat nie der Mühe wert fand, die Anliegen durch Kontaktaufnahme mit Behindertenvertretern zu erheben, um sie dann als Interessenstellvertreter in das ORF-Gremium einzubringen.

Aus Perspektive behinderter Menschen ist die Vorgehensweise bei der Nominierung ein klarer Verstoß gegen das ORF-Gesetz. Deshalb hat die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), der Dachverband der Behindertenverbände, eine Beschwerde bei der Regulierungsbehörde KommAustria eingebracht. Das Vorgehen steht auch im klaren Widerspruch zur 2008 von Österreich ratifizierten UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNCRPD), derzufolge behinderte Menschen ihre Anliegen selbst vertreten sollen.

Kein Dialog auf Augenhöhe

Auch Medienminister Ostermayer – nach eigener Einschätzung an der Begegnung auf Augenhöhe interessiert – fand es bisher nicht der Mühe wert, mit Behindertenvertretern ins Gespräch zu kommen. Vielleicht hat er ja jetzt nach der Konstituierung des Publikumsrates endlich Zeit dazu. Denn auch im Stiftungsrat hat er seine roten Schäflein in Position gebracht.

Es entbehrt nicht der bitteren Ironie, dass Herr Fenninger, der Vertreter der Gruppe der behinderten Menschen, nun auch noch Stiftungsrat ist! Ein Umstand, den wir Selbstvertreter feiern würden – wenn er denn einer von uns wäre!

Dass auch behinderte Menschen politisch interessiert sind, dass sie der einen oder der anderen Partei zuneigen und dass sie auch Wähler sind, scheint weder im Ministerium noch im ORF zu interessieren. Nur naiv also, wer geglaubt hat, dass durch die Reform des ORF-Gesetzes der Staatsfunk weniger am Gängelband der (Regierungs-)Politik hängt?

Bedauernswerte Mitarbeiter

Der Vorwurf der Naivität gilt dann wohl auch für den ehemaligen ORF-Generalsekretär Kurt Bergmann, der in einer Arbeitsgruppe konkrete Vorschläge zur Entpolitisierung entwickelt hat.

Zu bedauern sind jedenfalls die Mitarbeiter des ORF, die auch weiter damit leben und arbeiten müssen, dass es nicht um Qualifikation und Qualität geht, sondern nur ums richtige Parteibuch.

Dr. Klaus Voget, Jurist, seit 1966 Rollstuhlbenutzer, ist Präsident des Österreichischen Zivilinvalidenverbands ÖZIV und der ÖAR, des Dachverbands der Behindertenverbände.
E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2014)

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