Abtreibungen: Warum wir mehr Fakten brauchen

Für eine anonymisierte Statistik über Schwangerschaftsabbrüche.

Statistiken über Schwangerschaftsabbrüche werden in nahezu allen Ländern Europas geführt. In Österreich hingegen scheint sich kaum jemand dafür zu interessieren, wie viele Abbrüche es gibt und in welchen Lebenssituationen sich Frauen dazu entschließen. Wir wissen auch nicht, wie viele Spätabbrüche durchgeführt werden und aus welchen Gründen. Warum sich Österreich aber beim Thema Abtreibung der Realität verweigert, ist nicht nachvollziehbar.

Die Aktion Leben startete daher die parlamentarische Bürgerinitiative „Fakten helfen!“ – mit dem Ziel, auch in Österreich eine jährliche anonymisierte Statistik über Schwangerschaftsabbrüche einzuführen. Außerdem sollen durch regelmäßige wissenschaftliche Studien Motive für Abbrüche erforscht werden. Die Fristenregelung bleibt von diesen Vorhaben unberührt.

So wie in anderen Ländern auch, soll die Ärztin oder der Arzt einige Informationen erfassen wie etwa das Alter der Frau, die Zahl der geborenen Kinder, vorangegangene Abbrüche, Form der Verhütung, Dauer der Schwangerschaft – nicht mehr und nicht weniger als zu einer gewissenhaften Anamnese gehört. Diese Angaben sollen dann anonymisiert an das Statistische Zentralamt übermittelt werden.

Was nützt die Statistik?

In Deutschland ist die Meldepflicht eine absolute Einbahnstraße: Weder können aus diesen Daten Rückschlüsse auf Frauen, die einen Abbruch vornehmen ließen, gezogen werden, noch kann daraus ermittelt werden, welche Krankenhäuser oder Ordinationen die Abbrüche durchgeführt haben. Das Bundesamt für Statistik sammelt die Daten und veröffentlicht sie anonymisiert auf der eigenen Website und in Aussendungen.

Welchen Sinn sehen unsere Nachbarn in der Statistik? Auf der Homepage des Bundesamts für Statistik ist zu lesen: „Die Angaben geben einen Überblick über Größenordnung, Struktur und Entwicklung der Schwangerschaftsabbrüche sowie über ausgewählte Lebensumstände betroffener Frauen. Damit werden wichtige Informationen im Zusammenhang mit den Hilfen für Schwangere in Konfliktsituationen sowie über Maßnahmen zum Schutz des ungeborenen Lebens zur Verfügung gestellt.“

Eingeschränkte Sicht

Es geht um Basisinformationen für Prävention und Unterstützungsangebote! Vertiefte Informationen liefern wissenschaftliche Studien. So kann die Politik wirksame und messbare Maßnahmen zur Senkung der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche entwickeln, falls ihr das überhaupt ein Anliegen ist.

Manche meinen, wir wüssten genug über die Gründe für Abbrüche und wie Prävention aussehen müsste. Aber wir schöpfen dabei immer nur aus der eigenen Erfahrungswelt und haben so nur eine eingeschränkte Sicht der Dinge.

Natürlich können wir uns auch an Erfahrungen anderer Länder orientieren. Sexualpädagogik und Verhütung sind auf jeden Fall wichtig, aber das reicht nicht: Verhütung kann versagen, und auch zunächst ungewollte Schwangerschaften werden ausgetragen und geliebte Kinder. Umgekehrt werden auch gewollte Schwangerschaften abgebrochen. Warum? Und welche Rolle spielen die Partner, die wirtschaftlichen Verhältnisse bei einem Abbruch?

Antworten könnten uns qualitative Studien geben. Sie würden auf freiwilliger Mitwirkung basieren. Durch die Gewissheit, dass es um Prävention und Unterstützung geht, sind viele Frauen bereit, darüber zu sprechen, warum sie sich in einer bestimmten Situation für einen Abbruch oder das Austragen des Kindes entschieden haben. Wer nicht darüber reden möchte, der braucht das auch nicht zu tun.

Mag. Martina Kronthaler, Generalsekretärin der Aktion Leben. Weitere Informationen gibt es auf www.fakten-helfen.at.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2014)

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