Wie Österreich zur Bananenrepublik verkommt

Ohne Bedenken setzt sich die Politik über rechtsstaatliche Prinzipien hinweg.

Ein Blick auf die jüngsten Gesetzesinitiativen der Politik erhärtet die Vermutung, dass Österreich zur Bananenrepublik verkommen sein könnte. Der Argwohn muss vor allem dann groß sein, wenn die Regierung die Notwendigkeit beteuert, einzelne Gesetze im Verfassungsrang beschließen zu müssen. Die Opposition applaudiert natürlich dazu, bekommt sie doch die Möglichkeit, staatstragend an der Gesetzgebung mitwirken zu dürfen.

Ein Beispiel, wenn auch nicht das erste, ist das Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, das Regierungsparteien und Grüne am Donnerstag im Nationalrat beschließen wollten. Ob es zuträglich ist, mit 30.000 Euro oder mehr in Pension zu gehen, mag tatsächlich mehr als fraglich sein. Der eingeschlagene Weg aber ist äußerst problematisch, wenn sich der Verfassungsgeber dabei nämlich mit geradezu bedenkenloser Leichtigkeit über grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien und Regeln hinwegsetzt. Und das bereits zum wiederholten Mal.

Eine Fortschreibung dieser Tendenz in die Zukunft lässt erschaudern. Die Verabschiedung von Gesetzen im Verfassungsrang erfolgt nämlich nur zu oft zu dem Zweck, die bestehende Verfassung und ihre Grundsätze, wie den Gleichheits- oder Vertrauensgrundsatz, die Unverletzlichkeit des Eigentums, das Rechtsstaatsprinzip, die Menschenrechte etc. bezogen auf Einzelanlässe außer Kraft zu setzen und so eigenes Handeln unanfechtbar zu machen.

Aushöhlung der Demokratie

In Deutschland oder den USA wäre so etwas undenkbar. Aber bei uns scheint das überhaupt kein Problem. Damit erfolgt aber eine schleichende und konsequente Aushöhlung unsere Demokratie!

Die Leichtfertigkeit, mit der vorgegangen wird, macht Schule, verändert sich dadurch doch laufend das Rechts- bzw. Unrechtsbewusstsein der Politik und der Menschen. Werden auf diese Weise elementare Regelungen unserer Demokratie ausgehebelt, spricht auch niemand mehr von der eigentlichen Rechtswidrigkeit dieses Tuns.

Das Schweigen der Experten

Die Vorgangsweise wird einfach mit „politischer“ Notwendigkeit begründet. Gibt es dann Kritik am gesetzmäßigen Verwaltungshandeln, etwa im Fremdenrecht, wird dieses Handeln in sarkastischer Weise mit den Erfordernissen der Rechtsstaatlichkeit begründet (Bindung der Verwaltung an die Gesetze).

Nach dem Rechtsstaat im materiellen Sinn, dessen Grundsätze elementar für eine Demokratie sind, fragt heute schon niemand mehr, nicht in der Politik, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Dass ein solches Tun für die Entwicklung einer Demokratie verheerend wirken muss, liegt auf der Hand. Umso verwunderlicher ist das Fehlen eines auch in der Öffentlichkeit vernehmbaren Mahnrufs.

Wo sind die berufsständigen Organisationen der Anwälte und Notare, wo die akademische Expertise der juridischen Fakultäten? Auch den Medien ist die Umformung unserer Demokratie offenbar keine Erwähnung wert. Zwar wird empört auf die Knebelung des ungarischen Verfassungsgerichtshofes durch die Regierung Orbán hingewiesen. Die Vorgangsweise in Österreich bewegt aber niemanden. Das totale Schweigen des ORF zu diesem Thema liegt offenbar im Interesse der Sache.

Spannend wird im Fall des Sonderpensionenbegrenzungsgesetzes das Verhalten des Bundespräsidenten sein, dessen Unterschrift ja zum Inkrafttreten der Gesetze erforderlich ist. Wird er es wagen, sich gegen die Aushöhlung unserer demokratischen Errungenschaften zur Wehr setzen?

Walter Langer (* 1941) studierte Rechtswissenschaften an der Uni Wien, beschäftigte sich mehr als 35 Jahre mit dem Arbeitsrecht: Er war später im Bereich Außenwirtschaft und Europäische Integration tätig.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2014)

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