Kreuzbrave Beamte oder Hooligans?

Die Einstellung eines im Bundeskanzleramt tätigen Juristen zur Polizei kann nur in höchstem Maß verwundern.

Für Manuel Treitinger ist, so lässt sich nach Lektüre seines Gastkommentars („Den Rechtsstaat schützen? Oder doch nur die Polizei?“; „Presse“ 6. 6.) vermuten, dass ein Polizist entweder ein „potenzieller Hooligan“ sei oder „ein kreuzbraver Beamter, der pünktlich Feierabend machen will“. Außerdem sind Polizisten bei der Einkesselung von Demonstranten überfordert, da „ihnen anscheinend nichts anderes beigebracht wurde, als im Ernstfall planlos draufloszuprügeln“. Davon abgesehen gefährde die Polizei den Rechtsstaat, meint Treitinger.

Er findet es auch absurd, dass der Wiener Polizeipräsident, Gerhard Pürstl, die Medien ersucht, sensibler bei ihrer Berichterstattung zu sein. Dass dieser Appell Pürstls nicht unbegründet ist, zeigte etwa die Wortwahl in der „ZiB“ vom 4. 6. (ORF 2, 19.30 Uhr), in der der Moderator nach einem Bericht über ein privates Treffen von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache sagt: „Auch ein anderes Treffen politisch weit rechts stehender Protagonisten sorgt für Aufregung.“

Im anschließenden Filmbeitrag erklärte der Kommentator, dass die Gegendemonstranten die Veranstaltung teils rechtsextremer Burschenschafter als Provokation empfinden würden. Die politische Einstellung der Gegendemonstranten – ob diese politisch weit links oder linksextrem sind – wurde nicht kommentiert.

Die Aufgaben den Polizei

Zur Behauptung Treitingers, betreffend die Gefährdung des Rechtsstaates durch die Polizei: Die Polizei hat die gesetzlichen Aufgaben, die Freiheit und die Rechte aller Menschen, die sich in Österreich aufhalten, zu garantieren, für Ruhe, Ordnung sowie Sicherheit zu sorgen sowie Ermittlungstätigkeiten im Dienst der Strafjustiz durchzuführen.

Folglich haben Polizistinnen und Polizisten einerseits zu helfen, andererseits aber auch – wenn nötig – unmittelbaren Zwang anzuwenden. Öffentliche Handlungen der Polizei, vor allem jene, bei denen zuweilen Gewalt angewendet werden muss, unterliegen in der heutigen Zeit sehr genauen Beobachtungen. Daher ist die Polizei in den Medien immer wieder der Kritik, beispielsweise die Menschenrechte zu verletzen, ausgesetzt.

Streitfrage Einkesselung

Ein Beispiel, bei dem es schwierig ist einzuschätzen, ab welchem Zeitpunkt es zu einer Menschenrechtsverletzung aufgrund legitimer Handlungen der Polizei kommt, ist die „Einkesselung“. Sie kann, um gegen eine eventuelle Gewalteskalation präventiv vorzugehen, unter anderem im Zuge von Demonstrationen angewandt werden. Der Eingriff der Polizei wird von Betroffenen oft als Verletzung ihrer Menschenrechte betrachtet, obwohl es sich bei der Einkesselung durch die Polizei zwar um eine Einschränkung, aber um keine Verletzung der Menschenrechte handelt.

Infolge der Veränderung der Gesellschaft durch die fortschreitende Individualisierung ist auch die Polizei herausgefordert, sich nach außen hin ständig um eine Optimierung ihres Erscheinungsbilds in der Bevölkerung zu bemühen. Dass die Polizei in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen wird, zeigen aktuelle Studien: Laut „Jugend Trend Monitor 2012“ haben Jugendliche unter diversen öffentlichen Institutionen das meiste Vertrauen in die Polizei. Auch im Bericht zur Jugend-Wertestudie 2011, durchgeführt vom Institut für Jugendkulturforschung, spricht die Mehrheit der befragten Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen der Polizei ihr Vertrauen aus.

Jedenfalls kann ich nur hoffen, dass die Einstellung des Juristen Treitinger gegenüber der Polizei nicht repräsentativ für das Bundeskanzleramt ist.

Dipl.-Päd. Mag. Gabriela Lindtner, MA, istAbsolventin des Masterstudienganges Kriminologie und Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2014)

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