Rowdys? Woher das schlechte Image der Radfahrer kommt

Das Unvermögen von Planung und Politik schafft viele Probleme.

Gleich vorweg: Ich bestreite nicht, dass es rücksichtslose Radfahrer gibt. Und ich verurteile ihr Verhalten aufs Schärfste. Ich bestreite aber, dass der Anteil verhaltensauffälliger Radfahrer größer ist als jener in Gruppen anderer Verkehrsteilnehmer. Dass das Image der Radfahrer trotzdem ein dermaßen schlechtes ist, hat mehrere Gründe.

Die Spezies Radfahrer galt in Österreich lange Zeit als ausgestorben. Erst seit einigen Jahren erlebt dieses ursprünglich weit verbreitete Verkehrsmittel eine Renaissance. Der Newcomer wird skeptisch beäugt und jedes ordnungswidrige Verhalten sofort bemerkt und kritisiert. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass Gefährdungen durch Autos längst auf der Tagesordnung stehen, durch jahrzehntelange Praxis gesellschaftlich akzeptiert oder gar gesetzlich legalisiert sind.

Die Abneigung gegenüber dem neuen Verkehrsteilnehmer findet auch in der medialen Berichterstattung ihren Niederschlag – für kein anderes Verkehrsmittel und dessen Fahrer werden so kreative Herabwürdigungen erfunden: Radrowdy, Rüpelradler, Kamikaze-Radler, Pedalritter, Drahtesel usw.

Gegen die Fahrtrichtung

Weiters wissen viele Autofahrer und Fußgänger nicht um die Rechte von Radfahrern gemäß StVO Bescheid und glauben deshalb ständig, Radrowdys zu sehen. Radfahrer dürfen zum Beispiel gegen die Fahrtrichtung vieler Einbahnen fahren, was durch die Zusatztafel „ausgenommen Radfahrer“ angezeigt wird. Auch ohne diese Tafel dürfen Radfahrer Wohnstraßen gegen die Einbahnrichtung befahren.

Der Großteil der Radinfrastruktur in Österreich ist benützungspflichtig. Wir Radfahrer würden oft lieber auf der Fahrbahn als auf dem stark frequentierten kombinierten Geh- und Radweg fahren, dürfen aber nicht. Und wir müssen auch auf diesem schmalen Streifen fahren, der die Öffnungszone von Autotüren zu markieren scheint – der sogenannte Mehrzweckstreifen. Der dritte und entscheidende Grund für das schlechte Bild der Radfahrer in der Öffentlichkeit ist das Unvermögen von Planung und Politik, mit dem neuen Verkehrsteilnehmer adäquat umzugehen. Trotz hervorragender internationaler Beispiele wird kein Planungsfehler ausgelassen. Das beginnt damit, dass der Radverkehr oft auf die ohnehin schon engen Fußgängerflächen gequetscht wird, nur um den ruhenden Verkehr und den Fließverkehr ja nicht zu beeinträchtigen.

Geöffnete Autotüren

Das manifestiert sich in Mehrzweckstreifen, die Radfahrer in die „Dooringzone“ (geöffnete Autotüren) zwingen und Autofahrer zum Überholen ohne ausreichenden Sicherheitsabstand einladen; es verwundert also nicht, dass manche Radfahrer unerlaubterweise auf den Gehsteig ausweichen, um dieser Todeszone zu entgehen. Und das zeigt sich in verstärkten Polizeikontrollen und Strafen an Radfahrer, obwohl deren Gefahrenpotenzial dank geringerer Geschwindigkeit und Masse um Größenordnungen unter dem von Kfz liegt.

Sie sind Fußgänger und ärgern sich über Radfahrer? Ärgern Sie sich gemeinsam mit uns über die Planungsfehler, die uns erst die Konflikte bescheren. Kämpfen wir gemeinsam für mehr Anteil am öffentlichen Raum. Wir wollen uns nicht um die Restflächen des Autoverkehrs streiten müssen.

Sie sind Autofahrer und ärgern sich über Radfahrer? Seien Sie sich bewusst, dass Sie durch Ihre Fahrweise über unser Leben oder unseren Tod entscheiden, und fahren Sie entsprechend! Und freuen Sie sich über jeden Radfahrer, den Sie sehen – würde er Auto fahren, wäre Ihr täglicher Stau noch länger.

Sie sind Radfahrer? Weiter so!

Ulrich Leth ist passionierter Alltagsradler und erforscht menschengerechte Formen der Mobilität an der TU Wien. Der Artikel gibt die Privatmeinung des Autors wieder.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.