Wie das „Problem FPÖ“ zu lösen wäre: Rot-Blau

Wenn die SPÖ dies weiter ausschließt, muss sie von der ÖVP dazu gezwungen werden: indem sie in die Opposition geht.

Wie kann der Gordische Knoten des Stillstandes in Österreich nachhaltig gelöst werden? Seit Jahren haben viele Österreicher das Gefühl, mit ihrer Wählerstimme immer weniger bewirken zu können: „Es kommt doch eh immer eine rot-schwarze Koalition – wozu überhaupt noch wählen?“

Ein Grund, warum sich Rote und Schwarze noch immer so aneinander klammern, ist dabei vielleicht, dass sie Institutionen sowie Strukturen des Landes nach wie vor fast vollständig beherrschen und damit gleichsam ein „Reformverhinderungs-Kartell“ darstellen. Früher oder später wird sich jedoch etwas ändern müssen: Denn schon jetzt haben SPÖ und ÖVP in Umfragen unter 50 Prozent – sie haben sich endgültig verbraucht.

Die österreichische Politik braucht etwas Neues. Seit 1986 ist Österreich in einer Art „demokratischem Ausnahmezustand“: Seit 28 Jahren blicken alle gebannt auf die FPÖ. Der damalige SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky hat sozusagen damit angefangen, weil er keine Koalition mit Jörg Haider wollte (nachdem Vranitzky im Juni 1986 Fred Sinowatz als Regierungschef gefolgt war und Jörg Haider Vizekanzler Norbert Steger als FPÖ-Chef gestürzt hatte). Damals war gerade Kurt Waldheim Bundespräsident geworden – und Sinowatz in der Folge zurückgetreten. Es gab also noch einen zusätzlichen Grund.

Woher die Furcht vor der FPÖ?

Mittlerweile aber hat fast jedes europäische Land eine „nationalpopulistische“ Partei à la FPÖ. Die FPÖ ist weder übertrieben kompetent noch durch und durch böse.

Warum fürchten sich dennoch alle so vor ihr? Nur aus Gewohnheit – oder weil dies für alle Beteiligten auch ganz bequem und praktisch ist? Es gibt viele – bereits oft genug angeführte – berechtigte Gründe, die FPÖ zu kritisieren. Aber wollen ihre Gegner überhaupt, dass die FPÖ sich wirklich ändert? Denn dann würde man wohl auch den eigenen Umgang mit den Freiheitlichen ändern müssen.

Die FPÖ wird sich nämlich nicht freundlicherweise einfach in Luft auflösen – ihre Wähler auch nicht – und die Ursachen für ihren Erfolg ändern sich noch viel weniger: zum Beispiel die völlig überzogene Political Correctness; oder eine Finanzwirtschaft, die von den Notenbanken zusätzlich gespeist, immer mehr zum Selbstzweck wird – auf Kosten der Realwirtschaft.

Rot und Schwarz müssen sich endlich trennen: Selbst ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende. Die SPÖ gewinnt wegen des Kanzlerbonus alle Wahlen – die ÖVP gewinnt dafür immer die Koalitionsverhandlungen, weil die SPÖ eben keinen anderen Partner hat.

In Österreich muss also sozusagen ständig ein roter Kanzler schwarze Politik machen. Wie soll es da etwas anderes geben als Stagnation? Nur wer den Kopf in den Sand steckt, kann hoffen, dass das noch einmal „von alleine“ besser werden wird!

Die SPÖ hat außerdem selbst einiges dazu beigetragen, dass die FPÖ überhaupt zum Problem geworden ist. Sie kann jetzt auch dazu beitragen, dass dieses Problem endlich einmal gelöst wird.

Vielleicht hilft ihr dabei ein Zitat von Goethe: „Wer die Menschen behandelt wie sie sind, macht sie schlechter. Wer sie aber behandelt wie sie sein könnten, macht sie besser!“ Und vielleicht ließe sich so auch wieder die – von Hannes Androsch einmal als Voraussetzung für eine Zusammenarbeit geforderte – „Schnittmenge“ zwischen FPÖ und SPÖ finden. Bis 1986 gab es sie ja auch. Und die Menschen, also die Wähler und ihre Interessen, bleiben ja ohnedies die gleichen – egal, wer regiert.

Erneuerung in der Opposition

Die ÖVP wiederum hat nur eine einzige vernünftige Chance, nämlich vor der nächsten Wahl zu sagen: „Wenn wir nicht die Nummer 1 werden sollten, gehen wir in Opposition!“ Dafür wäre es ohnehin Zeit nach 30 Jahren in der Regierung. Sie sollte sich endlich einmal wirklich erneuern und verjüngen, das geht aber nur in Opposition.

Die Schwarzen haben mit Sebastian Kurz ein Supertalent – und wenn sie endlich wieder einmal den Kanzler stellen wollen, so wird das nur aus der Opposition heraus möglich sein. Noch nie in der Zweiten Republik hat es nämlich eine Partei geschafft, als Juniorpartner einer Koalition die Kanzlerpartei zu überholen! Selbst Bruno Kreisky gewann erst, nachdem die ÖVP allein regiert hatte. Und den einzigen Wahlsieg der ÖVP seit 1966 (!), erzielte Wolfgang Schüssel mit dem Kanzlerbonus.

Möglicherweise sogar als drittplatzierte Partei nach der nächsten Wahl erneut in eine Koalition einzutreten, wäre für die Volkspartei geradezu politischer Selbstmord. Schon jetzt könnte daher die ÖVP einen klaren und konsequenten Kurs verfolgen. Stichwort Steuerreform. Viel schlechter kann es für sie kaum noch werden. Die Schwarzen hätten ja im Grunde auch alle Argumente auf ihrer Seite, die auf unter 50 Prozent gesunkene „Große“ Koalition zu beenden.

Trennung SPÖ/ÖVP nutzt allen

Tut die ÖVP das nicht – zum Beispiel, weil man von Macht und Pfründen bereits so abhängig geworden ist, dass man nicht mehr von ihnen lassen kann –, dann hat die Volkspartei den Untergang wohl leider verdient. Und dann kommt vielleicht wirklich etwas anderes – zum Beispiel die Neos.

Eine Trennung von ÖVP und SPÖ ist an sich im Interesse aller. Zur Not könnte die ÖVP vielleicht noch eine Minderheitsregierung – etwa aus SPÖ und Neos – dulden, wenn sich sonst überhaupt keine Mehrheit ausgeht. Aber Rot-Blau wird sich wohl ausgehen. Und die SPÖ dürfte die Blauen ohnehin wieder überholen, wenn sie aufhört, eine Zusammenarbeit mit diesen kategorisch auszuschließen. Denn dann sinkt das Protest-Potenzial der FPÖ augenblicklich.

Je länger man wartet, desto höher ist erfahrungsgemäß die Wahrscheinlichkeit, dass die FPÖ noch stärker wird. Außerdem müsste aus Sicht der SPÖ doch Rot-Blau immer noch besser sein als Schwarz-Blau. Vor allem aber: Wenn die Demokratie in Österreich endlich wieder ordentlich funktionieren soll, dann müssen die Roten die Ausgrenzung der FPÖ beenden.

Eine Perspektive für Kurz

Daran führt kein Weg vorbei. Und wenn die SPÖ das nicht einsehen will, dann muss die ÖVP sie dazu zwingen, indem sie in Opposition geht – was derzeit zufällig ohnehin im Interesse der ÖVP wäre.

Eine mittelfristige Hoffnung hieße dann vielleicht Schwarz-Pink-Grün – das wäre auch eine Perspektive für Sebastian Kurz. Das wäre wirklich einmal etwas Neues und näher zur politischen Mitte als etwa Rot-Grün-Pink. Aber Kurz braucht ohnehin noch etwas Zeit. Als Vizekanzler würde er fast sicher „verheizt“ – deshalb wird ihm die SPÖ diesen Job sicher gern anbieten wollen. Damit alles so weitergehen kann, wie bisher ...

PS: Für jene, die sich noch immer fürchten: Die Regierung Schüssel 1 dauerte etwa zwei Jahre, dann kamen Knittelfeld und Neuwahlen – und die FPÖ landete bei zehn Prozent der Wählerstimmen. Dass Wolfgang Schüssel dann nicht eine Regierung mit den Grünen gebildet hat, war wohl sein größter Fehler. Aber den muss man ja nicht wiederholen.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

DER AUTOR

Christoph Bösch ist freier Publizist in Wien. Seit den 1990er-Jahren setzt er sich für eine liberale Gesell- schaft und einen demokratischen Staat in Österreich ein. Unter anderem engagiert er sich für diese Ziele über die Initiative „Mehr Wahlrecht“ und über willwaehlen.at. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2014)

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