Die Strafe des Lebens: Wer länger arbeitet, ist dumm

Kann man gegen staatliche Bürgerverhöhnung eigentlich auch klagen?

Unsere Pensionen sind sicher. Ja, sicher, im Jahr 2003 genügten 5,6 Milliarden staatlicher Zuschuss, 2013 waren es 8,7 Milliarden, und heuer muss das Pensionssystem bereits mit 9,1 Milliarden aus dem Budget gestützt werden. Wie das weitergeht, bis es nicht mehr weitergeht, kann man leicht ausrechnen.

Also wird uns eingeschärft, dass wir früher oder später alle länger arbeiten müssen. Vordringlich sollte wenigstens das faktische Pensionsantrittsalter steigen. Das lag im Mai des Vorjahres bei 58,06Jahren und im heurigen Mai bei 58,77 Jahren.

Der kläglich bescheidene Erfolg lässt den ausschließlich auf Wohlfühlbotschaften spezialisierten Sozialminister von einer Trendumkehr schwärmen und den klammen Finanzminister griesgrämig weitere Maßnahmen verlangen, damit „ Menschen wieder länger in Beschäftigung bleiben, dafür müssen wir noch effektivere Anreize schaffen“.

Wieso zweimal zahlen?

Anreize schaffen ist zwar gut. Aber wer länger arbeitet, ist einfach dumm.

Widersteht man der Verlockung, als rüstiger Frührentner endlich das Golfhandicap zu verbessern oder für einen Marathon zu trainieren, und geht man in ganz normale Alterspension, fühlt sich aber kregel genug, weiter zu arbeiten, und hat man das Glück, auch gefragt zu sein, darf man das ohne Einschränkung tun. Doch dann bestraft einen das Leben.

Von den Honoraren sind Krankenversicherung und Pensionsbeiträge zu zahlen. Das macht im Minimum ein paar hundert Euro monatlich. Krankenversicherung fällt an, obwohl man als Pensionist bereits kostenpflichtig versichert ist, und auch Pensionsbeiträge sind zu entrichten.

Die gängige Frage, wieso die Krankenkasse zweimal kassiert, wenn man doch nur einmal krank sein kann, lässt die Versicherungsanstalt der Wirtschaft, der man als Pensionist, der als Selbstständiger weiterarbeitet, zwangsläufig anheimfällt, nicht gelten. Es gibt eben, wird mit Verständnis für den Sozialpartner und die eigenen Finanzvorteile formuliert, für jedes Einkommen eine gesetzliche Sozialversicherungspflicht.

Die Logik kranker Kassen

Nach dieser Logik ist auch auf die Erträgnisse von Veranlagungen, Mieterlöse von Vorsorgewohnungen oder gar Sparzinsen ein Krankenkassenbeitrag fällig. Wir wollen aber die kranken Kassen nicht auf Ideen bringen.

Wer zu seiner Pension etwas dazuverdient, hat für die Krankenkassen eine Art Solidarabgabe zu leisten. Und Schluss.

Und warum müssen Pensionisten Pensionsbeiträge zahlen, ohne je eine zweite Pension zu bekommen? Die Antwort heißt: „Besondere Höherversicherung.“

Wer als arbeitender Pensionist seine zwei Pflichten gegenüber den zwei Krankenkassen (dafür darf man bei jedem Arztbesuch die Kasse wählen) erfüllt hat, Pensionsbeiträge an die gewerbliche Sozialversicherung pünktlich und vollständig abgeführt hat und auch korrekt Lohn-, Einkommen- und Umsatzsteuer bezahlt hat, sohin in den Besitz eines rechtskräftigen Steuerbescheids gelangt ist, kommt fürderhin in den Genuss der besonderen Höherversicherung. Diese beträgt monatlich 19,47 Euro. Brutto versteht sich.

Klagen ist zu überlegen

Freundlich wird man darauf aufmerksam gemacht, dass gegen diesen Bescheid binnen dreier Monate eine Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht zulässig ist. Das ist zu überlegen. Aber kann man über staatliche Verhöhnung nicht bloß klagen, sondern auch dagegen?

Franz Ferdinand Wolf (*1947) ist Kommunalpolitiker, Journalist und Autor des Wochenmagazins „Format“ („FFW notiert“).

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2014)

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