Alle gegen Spindelegger

Wie schon oft in der Geschichte der ÖVP putzen sich gerade wieder einmal alle am Parteichef ab. Wann platzt ihm der Kragen?

Nach jeder verlorenen Nationalratswahl hieß es, noch tiefer könne die ÖVP gar nicht mehr sinken. Jedes Mal versprach man, die Ärmel hochzukrempeln, damit es wieder aufwärts gehe. Es blieb beim Vorsatz. Mit dem Effekt, dass von einem einstmals fast 50-prozentigen Wählerpotenzial derzeit nur noch 20 Prozent der ÖVP die Stange halten.

Wie so oft in der Parteigeschichte putzen sich alle am Bundesparteiobmann ab. Es sind nicht nur normale Wähler und Funktionäre an den Stammtischen, es sind auch Spitzenpolitiker aus Ländern und Teilorganisationen, die zunächst einen neuen Wunderwuzzi auf den Schild heben und ihn dann öffentlich ans Kreuz nageln, weil man mit Kritik an Parteifreunden leicht Schlagzeilen machen kann.

Keine Frage, „dieses Grundeln bei 20 Prozent ist unerträglich“. Aber vielleicht stellt man sich die Frage: Was kann man dagegen unternehmen? Und zwar in einer gemeinsamen Kraftanstrengung.

Wie sieht denn die Realität in den Augen des Wählers aus? Da sucht die Regierung nach einer Lösung in der Asylfrage. Aber wenn's darum geht, konkret etwas zu tun, blockt fast jeder Landeshauptmann ab. Sich für Asylanten einzusetzen wäre eine humanitäre Verpflichtung, ist aber nicht populär, daher lassen wir die Finger davon.

Da vereinbart man im Regierungsprogramm einen strikten Spar- und Sanierungskurs. Weil aber der Koalitionspartner unter Profilierungsneurosen leidet und ein populistisches Thema aufgreift, wird gleich mit den roten Wölfen geheult. Mehr noch – man richtet dem Parteiobmann aus, ob er denn keine Augen für das habe, was die Wähler wirklich drücke.

Wehe, es wird konkret...

Wenn es aber heißt, man könne sich nur eine Steuersenkung leisten, indem man zum Beispiel das Pensionsalter zumindest auf den EU-Durchschnitt anhebt, wird sofort abgeblockt, die Problemlösung auf die nächste Generation verschoben. Flockig wird ständig davon gesprochen, man solle doch endlich bei der Verwaltung den Rotstift ansetzen. Kaum werden konkrete Einsparungen (etwa bei Polizeiposten) getroffen und Reformschnitte verlangt, wird schon protestiert: „Aber darauf können wir nicht verzichten!“

Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. Sie zeigt das Dilemma auf, in dem Österreich (Stichwort: „Jammern auf hohem Niveau“) und insbesondere die Volkspartei (Stichwort: „Angst vor mutigen Ideen“) stecken.

Niemand würde es Michael Spindelegger verdenken, in dieser Situation den Hut draufzuhauen. Nur ist das auch keine Lösung und würde nur jenen recht geben, die ohnedies alles besser wissen. Es ist aber auch kein Grund, alles einfach so hinzunehmen und auf bessere Zeiten zu warten.

Warum platzt Spindelegger nicht endlich einmal der Kragen? Warum setzt er keinen Paukenschlag, um in der Partei und in der Regierung einen Zukunftskurs einzuschlagen? Immerhin führt er auch das das Finanzressort und hat damit etwas in der Hand, um politische Vorgaben zu treffen.

Nur sollte er endlich einmal aus seiner Haut fahren. Politische Gestaltungskraft zu zeigen würde ihm mehr bringen, würde sich nachhaltig in den Umfragen niederschlagen und ihm wieder Gefolgschaft bei den Wählern sichern.

Mag. Herbert Vytiska (*1944) war 15 Jahre lang Sprecher des früheren ÖVP-Chefs Alois Mock. Heute ist er Politikberater in Wien.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2014)

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