Die AUA vor dem Absturz durch ein Gerichtsurteil?

Die Austrian Airlines befinden sich in einer extrem schwierigen Lage. Alle blicken nun auf den Europäischen Gerichtshof.

How to become a millionaire, if you are a billionaire? Just buy an airline! Dieser alte Branchenwitz beleuchtet sehr treffend die Ertragsverlässlichkeit von Fluggesellschaften. Zahlreiche prominente Airlines sind in den vergangenen 20 Jahren untergegangen – wer erinnert sich noch an PanAm, die erste Fluggesellschaft mit weltumspannendem Netz? Aber auch ein so prominenter Player wie Swiss Air musste 2001 mit Verlusten von über elf Milliarden Euro den Konkurs anmelden.

Wie konnte die AUA die Turbulenzen der letzten Jahrzehnte überstehen? Und kann sie den jetzt anstehenden Kampf um die Einführung eines neuen Kollektivvertrages überleben?
1. Was sind die Ursachen für die seit den 2000er-Jahren aufgetretenen Verluste? Da ist zuerst das sehr rasche Wachstum von 1990 bis 2004 von 19 auf über 100 Flugzeuge zu nennen. Weiters die jahrelangen Auseinandersetzungen mit Niki Lauda, die der AUA in der Öffentlichkeit schadeten und letztlich durch die erzwungene Zusammenführung den Verlust von einer Milliarde Schilling bescherten.

Fehlende Strategie

Dazu kam die fehlende Strategie des Vorstandes und des Aufsichtsrates in den 2000er-Jahren, die sich gegenüber politischen Wünschen nach unbedingter Erhaltung der Arbeitsplätze nicht durchsetzten. Last but not least wurde zu lange an der „Stand Alone“-Strategie festgehalten, der der AUA von der Politik unter dem Titel „die Heckflosse muss Rot-Weiß-Rot bleiben“ bis zuletzt aufgezwungen wurde.

Die Jahre ab 2000/2001 waren von vielen Krisen gekennzeichnet – wie die Katastrophe vom 11. September 2001, die Angst vor globalen Seuchen wie Sars, der zweite Irakkrieg, aber auch der Ausbruch des isländischen Vulkans. All das setzte den Airlines stark zu. Gleichzeitig konnten Billig-Airlines ihren Siegeszug auf den Märkten fortsetzen. Dazu kamen noch neue Fluggesellschaften aus der Golfregion wie Emirates, Etihad und Qatar, die durch ihre Kostenvorteile den etablierten Fluggesellschaften scharfe Konkurrenz machen. 2007 platzte die Immobilienblase in den USA, 2008 folgte die durch die Lehman-Pleite ausgelöste Finanzkrise. Eine Summe von Krisen also, die auch die Luftverkehrswirtschaft massiv belasteten.

Schließlich auch noch die lange währenden und nie durchgreifend gelösten Probleme mit Piloten und Flugbegleitern.
2. Vorgeschichte des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof: Der 2012 von der Lufthansa neu bestellte Vorstandsvorsitzende der AUA, Jan Albrecht, hatte wenige Monate nach seinem Amtsantritt nach ergebnislosen Verhandlungen mit dem Betriebsrat den Kollektivvertrag für das fliegende Personal gekündigt und den Flugbetrieb der AUA in die Tochtergesellschaft Tyrolean eingebracht. Am 13. Juni teilte Generalanwalt Cruz Villalón in dem vor dem Europäischen Gerichtshof laufenden Verfahren wegen des vom Vorstand gekündigten Kollektivvertrages des fliegenden Personals mit, dass dieser Kollektivvertrag für das Bordpersonal nach wie vor gilt. Das ist ein voller Erfolg für den Betriebsrat, da der Europäische Gerichtshof in vier von fünf Fällen der Meinung des befassten Generalanwaltes folgt.

Für das Überleben der AUA ist das für 11. September – ausgerechnet! – zu erwartende Gerichtsurteil daher von größter Bedeutung: 200 Millionen Euro Einsparungen stehen auf dem Spiel. Betroffen sind 550 Piloten und 1500 Flugbegleiter, die noch Anspruch auf Abfertigungen von bis zu 39 Monatsgehältern haben. Der Betriebsrat beharrt auf dem gekündigten Kollektivvertrag der AUA als arbeitsrechtliche Basis der insgesamt über 3000 Flugbegleiter und Piloten. Nebenbei sieht sich die AUA mit über 530 Klagen von Mitarbeitern konfrontiert.

Fluglinien nicht lukrativ

Das letzte Angebot des Vorstands hätte nach Berechnungen des Betriebsrates Gehaltseinbussen von bis zu eineinhalb Jahresgehältern in den nächsten fünf Jahren bedeutet und ist daher für die Belegschaftsvertretung inakzeptabel. Alles in allem keine leichte Situation für die von der Lufthansa als Eigentümerin der AUA vor zwei Jahren entsandten Vorstandsdirektoren Albrecht und Benz.
3. Sind Fluglinien lukrative Unternehmen? Grundsätzlich nein. Zahlreiche Insolvenzen namhafter Fluggesellschaften von PanAm bis Swiss Air beweisen es. Seit ihrer Gründung im Jahre 1958 kämpft die AUA mit finanziellen Problemen: So war das Grundkapital des Unternehmens bereits sechs Monate nach der Gründung verbraucht, die Firma konnte nur mit erheblichen Zuschüssen vom Staat am Leben erhalten werden.

Der bestehende Flugzeugmix von Propellermaschinen und Jets sowie das inhomogene Streckennetz hatten eine katastrophale finanzielle Entwicklung verursacht, die 1969 einen Finanzierungsbedarf von einer Milliarde Schilling verursachte. Das von Finanzminister Stefan Koren 1967 geforderte Sanierungskonzept wurde von den 1969 bestellten Direktoren Heschgl und Papousek umgesetzt.

Gewinne und Verluste

Diesen beiden Herren gelang es dann bis 1990, Gewinne für die AUA in einem damals noch kartellrechtlich geschützten Markt zu erwirtschaften. Maßgeblich für diesen Erfolg waren die Einführung des West-Ost-Konzepts und die Vereinheitlichung der Flotte auf Fluggeräte der Type McDonnell Douglas DC 9.

Ab 1991 setzten bei der AUA wieder Verluste von bis zu 700 Millionen Schilling pro Jahr ein. Nach einem Turnaround in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre kam es aber ab 2005 zu einer rapiden Verschlechterung der Ergebnisse, die bis 2011 über 900 Millionen Euro an Verlusten für die damals noch staatseigene Gesellschaft brachte.

Aus diesem Grund musste der österreichische Staat beim Verkauf der Anteile an die Lufthansa einen Beitrag von 500 Millionen Euro als Zuschuss für die Weiterführung des Unternehmens leisten.
4. Ist der Betriebsrat schuld an der schlechten betrieblichen Situation? Sicher nicht allein, es gab zahlreiche Situationen, in denen der Betriebsrat mit seiner Zustimmung zu Sanierungspaketen, Kurzarbeit und lohnkostensenkenden Maßnahmen seine Loyalität zum Unternehmen bewiesen hat.
5. Gibt es eine Lösung für diese schwierige Situation? Sie ist nur vorstellbar, indem die arbeitsvertragliche Konzeption mit den Mitarbeitern aller Teilgesellschaften völlig neu gestaltet und die „Dreiklassengesellschaft“ innerhalb der Firmengruppe abgeschafft wird.

Nach dem Muster der Swiss

Dazu müsste der Vorstand die Herzen der Mitarbeiter gewinnen und die zuletzt Anfang August proklamierte „Verhandlungslösung“ erreichen: Eine Situation, die bis vor Kurzem nicht erkennbar war, jetzt aber unter dem Druck des bevorstehenden Urteils des Europäischen Gerichtshofs erstmals angeklungen ist: Man werde eine Verhandlungslösung mit dem Betriebsrat und keine rechtliche Lösung anstreben, sagt jetzt AUA-Vorstandsvorsitzender Jan Albrecht.

Anderenfalls verbleibt nur ein geordnetes Insolvenzverfahren, mit dem – nach dem Muster Swiss – eine neue Gesellschaft aus Teilen der alten AUA geformt wird.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

DER AUTOR



Dr. Johannes Sääf
(* 1951), studierte Rechtswissenschaften in Wien, danach Gerichts- und Anwaltspraxis in Klagenfurt. 1978 bis 1985 Referent bei Austrian Airlines für Luftverkehrsrecht. Seit 2012 Unternehmensberater für Transportunternehmen und Hochschuldozent für Europarecht und Staateninsolvenz am Studienzentrum Hohe Warte. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2014)

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