Warum die Freiheitlichen „Putin-Versteher“ sind

Es gibt mehrere Gründe dafür, dass die FPÖ unter Heinz-Christian Strache eine eher russlandfreundliche Linie vertritt.

Ist es die Sympathie für den starken Mann, in klammheimlicher Freude über den autoritären Regierungsstil desselben? Oder ist es die Solidarität unter politischen Schmuddelkindern – da die Ausgegrenzten der heimischen Innenpolitik, dort die Ausgegrenzten der Weltpolitik?

Oder ist es vielleicht schlicht kruder Antiamerikanismus, der die österreichischen Freiheitlichen unter der Führung von Heinz-Christian Strache als einzige politische Kraft des Landes dazu bewegt, eine eher russlandfreundliche Linie in der gegenwärtigen Debatte über den Ukraine-Konflikt und das Verhältnis zwischen Europa und dem Kreml zu fahren?

Einseitiges Meinungsklima

Was motiviert die FPÖ, immer wieder Verständnis für Wladimir Putin, den gegenwärtigen Haupt- und Oberbösewicht der Weltpolitik, zu äußern? Speziell betonen Parteiobmann Strache und seine Außenpolitiker ja die österreichische Neutralität und sprechen sich für so etwas wie eine Äquidistanz gegenüber den Streitparteien in der Ukraine aus.

In einem Meinungsklima aber, das europaweit so einseitig und eindeutig gegen die russische Position und gegen Wladimir Putin orientiert ist, wird schon dieses Verlangen nach Äquidistanz als massives Eintreten für Russland gedeutet. Die österreichischen Freiheitlichen werden somit zu jenen Kräften hinzugezählt, die der politisch mediale Mainstream verächtlich als „Putin-Versteher“ definiert.

Worunter man nichts anderes zu verstehen hat als jene Kräfte und jene Persönlichkeiten, die wider jede internationale Moral und wider besseres Wissen vom Kreml quasi eingekauft sind: Wirtschaftsleute, die mit Oligarchen verbandelt sind, Bauunternehmer, die Aufträge rund um den Olympia-Ort Sotschi hatten, oder eben auch politische Repräsentanten, die man verdächtigt, allzu gute Beziehungen zu russischen Finanzkreisen zu pflegen.

Verflüchtigtes Feindbild

Betrachtet man die freiheitliche Position aber genauer und vorurteilsfrei, ergibt sich ein durchaus anderes, ein differenziertes Bild: Während „die Russen“ – auch als Verkürzung für die Sowjetmacht – für das traditionelle national-freiheitliche Lager in der Folge der Gegnerschaft zweier Weltkriege ursprünglich als zentrales Feindbild figurierten, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so etwas wie eine neue Affinität zum großen östlichen Nachbarn entwickelt.

Bereits Herbert Alois Kraus, der Gründer des liberalen Verbandes der Unabhängigen (VdU), träumte – auch in einer Buchveröffentlichung – von einer europäischen Integration bis nach Wladiwostok, einschließlich Russlands also. Die heutige FPÖ als eine identitäre, patriotische Partei vermag in den Positionen Wladimir Putins und des neuen Russlands eben jene Politik des nationalen Interesses (nicht des nationalen Egoismus!) und der Erhaltung der eigenen kulturellen Identität erkennen, wie man sie selbst auch ganz zentral als soziale Heimatpartei vertritt.

Und wie ist das in EU-Europa?

Die Kritik an Putins Regierungsstil – dieser agiere allzu autoritär, ja antidemokratisch und missachte die Menschenrechte – relativiert man mit dem durchaus nicht völlig von der Hand zu weisenden Argument, Putin sei in einer zweifellos einigermaßen freien Wahl von etwa zwei Dritteln der Russen gewählt worden, während beispielsweise der EU-Ratspräsident von keinem europäischen Bürger gewählt werde.

Was wiederum die mangelnde demokratische Qualität russischer Referenden betrifft, so sei der EU-Modus der öfteren Wahlwiederholung, bis das Ergebnis dem Establishment passe, auch kein Beleg dafür, dass Russland weniger demokratisch sei als EU-Europa.

Und dann ist da natürlich die russische Aggression gegenüber dem Ostteil der Ukraine, Putins neue großrussische, ja imperialistische Politik, die vom Westen, von den etablierten Parteien und den europäischen und amerikanischen Medien einhellig und nahezu ohne Gegenstimme gebrandmarkt wird.

Skepsis gegenüber den USA

Aus freiheitlicher Sicht wird man zwar tatsächliche Übergriffe auf einen souveränen Staat keineswegs gutheißen, prinzipiell aber schon die Frage aufwerfen dürfen, ob die Grenzen der Ukraine wirklich sakrosankt sind oder ob es nicht möglich sein müsse, in einer internationalen Konferenz dieselben auf friedliche und demokratische Weise zu ändern.

Was für den Westen im Falle des Kosovo zulasten Serbiens – auch so eines internationalen Schmuddelkinds – durchaus möglich und legitim war, sollte doch auch für die Ukraine denkbar sein. Und dass es gemäß dem Selbstbestimmungsrecht der Völker – beinahe wurde schon vergessen, dass dieses eine zentrale Maxime internationaler Politik ist – denkbar sein müsse, Regionen mit russischen Mehrheiten Autonomie, ja Eigenstaatlichkeit oder sogar die Rückkehr zu Russland zu ermöglichen.

Schließlich ist es tatsächlich eine gewisse Skepsis gegenüber der westlichen Supermacht USA als dem alleinigen Weltschiedsrichter und als Präzeptor EU-Europas, die die österreichischen Freiheitlichen für ein positiveres Verhältnis gegenüber Moskau motiviert.

In kultureller Hinsicht gibt es auf rechter Seite traditionell jene bekannte Skepsis gegenüber der Amerikanisierung unseres Lebensstils. Und in machtpolitischer Hinsicht ist es bei den „rechtspopulistischen Parteien“ Europas längst Common Sense, so etwas wie eine europäisch-russische Achse zwecks Emanzipation von der Supermacht USA bilden zu wollen.

Außenseiterdasein verbindet

Die Tatsache, dass die rechtsgerichteten Parteien Europas als einzige eine eher prorussische Linie in der Ukraine-Krise vertreten, ist sattsam bekannt, die österreichischen Freiheitlichen bilden da keine Ausnahme.

Wenn FPÖ-Außenpolitiker wie der außenpolitische Sprecher, Johannes Hübner, oder der Wiener Klubobmann, Johann Gudenus, bereits in der Vergangenheit bei verschiedenen Besuchen im Umfeld des russischen Machtbereichs entsprechende Aussagen tätigten, mochte das in Kreisen des heimischen Polit- und Medien-Establishments belächelt worden sein.

Tatsache ist, dass sie die einzigen Stimmen darstellten, die – etwa in der Krim-Problematik – so etwas wie ein differenziertes Verständnis für die Kreml-Position äußerten. Gemeinsame Gegner schaffen eben Freundschaft, und eine gemeinsame Außenseiterposition verbindet.

Kriterium Völkerrecht

Dessen ungeachtet allerdings werden sich natürlich auch Straches Freiheitliche der Verpflichtung nicht entziehen können, die Lage in der Ukraine, das künftige Vorgehen des Kreml und auch die europäischen Reaktionen darauf unter den Kriterien des Völkerrechts und der friedlichen Entwicklung in der internationalen Staatengemeinschaft zu beurteilen.

In Kreisen der freiheitlichen Außenpolitiker dürfte man allerdings davon ausgehen, dass letztlich auch Russlands Präsident, Wladimir Putin, Staatsmann genug ist, um das zu wissen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR



Wendelin Mölzer
(*1980 in Graz) ist seit 2013 Abgeordneter zum Nationalrat für die FPÖ. Zuvor war er als Referent für Außenpolitik im Freiheitlichen Parlamentsklub tätig. Im Zivilberuf ist er Journalist und seit Anfang 2014 Chefredakteur des Wochenmagazins „Zur Zeit“. Mölzer lebt mit seiner Familie in Villach. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2014)

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