Uber gegen den Rest der Welt: Mehr als ein Taxikrieg

Warum das Unternehmen in Europa auf so viel Widerstand stößt.

Aktueller Rechtsstreit in Deutschland, Streiks und Proteste von Taxlern in vielen anderen Ländern: Der Fahrtenvermittler Uber ist umstritten und regt auf. Dennoch: Er hat seine Daseinsberechtigung in der modernen, globalisierten Wirtschaft. Zweifelhaft sind jedoch die Mittel, mit denen er seinen weltweiten Eroberungsfeldzug führt. Man könnte meinen, das US-Unternehmen hätte sich seine Strategie bei Bush junior abgeschaut – erst einmarschieren, dann Fragen stellen.

Tatsächlich hat der Uber-Streit, bei dem es um mehr geht als um die Besitzstandswahrung des etablierten deutschen Taxigewerbes, eine wichtige internationale Dimension, die sich an folgenden sechs Punkten festmachen lässt.

Erstens: In Deutschland trifft Uber auf ein völlig anderes Umfeld als auf seinem US-Heimatmarkt. In amerikanischen Großstädten besteht die Taxiflotte oftmals aus alten Rostlauben im Einheitslook, die bezüglich Produktvielfalt und Servicequalität an alte Sowjetzeiten erinnern. Dagegen ist Deutschland für den Fahrgast ein wahres Dorado. Die Fahrzeuge sind vergleichsweise nobel, modern und gut in Schuss, die Taxidienste effizient organisiert. Aus Nutzersicht besteht hier also ein weit geringerer Bedarf für Alternativangebote.

Zweitens: Uber ist so etwas wie der Inbegriff des Liberalismus. Mit einiger Chuzpe vertreten die Uber-Manager die Devise, die existierenden Regeln gälten für sie nicht. Die Personenbeförderungsgesetze, so das Argument, stammten aus einer Zeit, als die „Sharing Economy“ noch nicht erfunden war. Ubers Arroganz hat Konsequenzen. Wenn ein Unternehmen für sich in Anspruch nimmt, über dem Gesetz zu stehen, passt das genau in das Image, das immer mehr Menschen rund um den Globus von den USA haben. Das hilft weder den Firmen selbst noch der US-Außenpolitik.

Drittens: Es gibt in den USA eine offenkundige Doppelmoral beim Verbraucherschutz. Die Europäer können ein Lied singen von der Übervorsicht der US-Behörden, wie etwa bei der Zulassung ausländischer Lebensmittel. Der Klassiker ist das Einfuhrverbot für Rohmilchkäse wegen potenzieller Gesundheitsgefahren. Es stellt sich allerdings die Frage, was für die Gesundheit gefährlicher ist – der Genuss von französischem Käse oder die Fahrt in einem nicht behördlich geprüften Privattaxi.

Viertens: Die „Sharing Economy“ wird von ihren Aposteln als Wundermittel zur Förderung von Innovation und Kleinunternehmertum verherrlicht. Was Taxidienste angeht, ist diese Propaganda fehl am Platz. Die meisten Taxibetreiber in Deutschland sind klassische Familienunternehmen. Hier gibt es also keinerlei Nachholbedarf. Im Gegenteil: Uber würde eher zur Vernichtung kleiner Betriebe beitragen.

Fünftens: Gleiches Recht für alle. Es gibt keinen Grund, Uber aus Prinzip abzulehnen. Ohne Frage wird das Unternehmen seinen Platz auf dem Markt finden, ob in den USA, Deutschland oder anderswo. Aber es muss klar sein, dass es sich dabei an das jeweilige nationale Recht zu halten hat. Und da kann sich Uber nicht damit herausreden, es sei ja „nur eine App“. Uber ist nichts anderes als ein Taxidienst, und dafür gibt es in den meisten Staaten behördliche Auflagen. Das Unternehmen kann also die nötigen Anträge stellen und den Betrieb aufnehmen, sobald die Genehmigung vorliegt.

Sechstens: Der Uber-Konflikt ist sinnbildlich für das deutsch-amerikanische Spannungsverhältnis. Bei immer mehr Themen – von den erneuerbaren Energien bis zum Datenschutz – lehnt sich Berlin gegen Washington auf.

Am Ende gilt die Maxime: Die freie Welt braucht permanente Innovation, aber ebenso dringend eine bessere Balance innerhalb des kapitalistischen Systems, um die Vision des Wohlstands für alle verwirklichen zu können.

Der Autor ist Herausgeber des Onlinemagazins The Globalist.com. Twitter @theglobalist

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2014)

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