Unverrückbare Werte

Replik. Die ÖVP hat keineswegs vor, mit ihren Traditionen zu brechen. Aber sie muss ihr Programm an aktuelle Herausforderungen anpassen.

Evolution ist laut „Duden“ die „langsame, bruchlos fortschreitende Entwicklung besonders großer oder großräumiger Zusammenhänge“. Ganz im Gegensatz zur „Revolution“, die bisher Gültiges und bisher Bestehendes verdrängt und so einen Bruch mit der Vergangenheit bedeutet. Wenn „Presse“-Gastkommentator Michael Etlinger (24. 9.) glaubt, wir geben mit der „Evolution Volkspartei“ die Tradition auf und brechen so mit der Vergangenheit – so wollen wir genau das nicht.

Ganz im Gegenteil: Wir bauen auf unseren bewährten, letztlich zeitlosen Grundwerten auf und wenden sie auf die Herausforderungen der Gegenwart an.

Unverrückbar fest stehen für uns die drei Hauptsätze der christlichen Soziallehre: Personalität (jeder Mensch ist Person und hat angeborene Rechte, in die der Staat nicht eingreifen darf); Solidarität (also Partnerschaft in der Gesellschaft); Subsidiarität (also die Aufgabenteilung zwischen Familie, Staat, Gesellschaft).

Auch die ökosoziale Marktwirtschaft gehört zum Grundwertesockel der ÖVP: Der Markt und die persönliche Leistung sind die Bewegungsgesetze der Wirtschaft, aber sie brauchen einen staatlichen sozialen Rahmen und eine Begrenzung zur Sicherung der Umwelt. Freiheit, Gleichheit, demokratische Partizipation und Nachhaltigkeit – um nur einige weitere zu nennen– gehören auch dazu.

Jede/jeder kann mitmachen

Was wir in der Programmdiskussion immer wieder leisten müssen, ist, diese unverrückbaren Grundwerte an die Weiterentwicklung und die Herausforderungen der Gesellschaft anzupassen. Beispiele gefällig? Die neue Cyber-Welt, der Grundrechteschutz (Diskriminierungsverbot durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte), die Erscheinungen des ungebremsten Neoliberalismus und die Herausforderungen eines initiativen Umweltschutzes. Auch die europäische Programmatik hin zum Europäischen Bundesstaat ist derzeit ausgeklammert, ebenso wie die zeitgemäße Definition einer Neutralität im Rahmen der EU.

Bei der „Evolution Volkspartei“ kann jede und jeder mitmachen. Bis Ende November läuft die Ideensammlung, an der sich schon über 2000 Personen beteiligten und an der alle – auch Nichtparteimitglieder – mitwirken können. Sie können Probleme und Problemlösungen ansprechen und andere Ideen bewerten. Ab Dezember werden dann alle ÖVP-Mitglieder die einzelnen Ideen diskutieren und darüber abstimmen können.

Dieser Evolutionsprozess bringt eine breite Diskussion und umfassende Grundlagen für Entscheidungen, die wir in der Tagespolitik umsetzen wollen. „Evolution Volkspartei“ ist nötig, weil sie die ÖVP für neue Probleme und auch Menschen öffnet. Wir zeigen damit, dass wir die Menschen mit ihren Anliegen ernst nehmen und zur aktiven Mitarbeit einladen.

Seit dem Salzburger Programm 1972 habe ich an allen ÖVP-Programmen mitgearbeitet. Diese Arbeit war immer sehr fordernd, hat immer heftige Kontroversen ausgelöst und letztlich dann der Republik und der ÖVP genützt. Ich habe dabei immer spannende Leute kennengelernt, die später oft zu Wegbegleitern wurden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2014)

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