Ein propagandastischer Tsunami

Die Geschichte lehrt, dass Israel – leider – ein aggressiver und illoyaler Staat ist: Anmerkungen zum Mythos der Existenzbedrohung Israels.

Seit Monaten sieht sich die westliche Welt mit einer Kampagne konfrontiert, welche die existenzielle Bedrohung Israels durch islamistischen Terrorismus, vor allem aber durch den Iran, beschreibt. Man geht sicherlich nicht in die Irre, wenn man diesen propagandistischen Tsunami auch als publizistische Vorbereitung für eventuell notwendige „Notwehrmaßnahmen“ Israels interpretiert. Die jüngsten umfangreichen Manöver der israelischen Luftwaffe untermauern diese Ansicht.

Wie oft bei derartigen Aktionen ist die Wahrheit das erste Opfer. Man spekuliert bewusst mit der Unwissenheit und dem kurzen Gedächtnis des Publikums, schreckt auch nicht vor Falschmeldungen wie z.B. der offensichtlich bewusst falschen Übersetzung von Erklärungen des iranischen Staatspräsidenten (wofür sich inzwischen führende deutsche Medien bereits ganz offiziell entschuldigt haben) zurück. Das alles ist natürlich notwendig, um die richtige Stimmung für möglicherweise bereits geplante Militärschläge zu schaffen.

In diesem kurzen Beitrag soll und kann nicht die gesamte Situation analysiert werden, ich verzichte auch auf eine Auseinandersetzung mit dem Nuklearprogramm des Iran und dessen regionalpolitischen Ambitionen. Sicherlich stellt der Iran keinen demokratischen Staat im westlichen Sinne dar, es gäbe genug an der Situation der Menschenrechte und seiner fundamentalistischen Staatsdoktrin zu kritisieren. Doch das würde den Rahmen dieses Kommentars bei weitem sprengen.

Mit diesen Anmerkungen möchte ich zunächst nur die arrogante, auf Lügen und Halbwahrheiten aufgebaute Kampagne Israels und seiner Lobby in Frage stellen:

Die Operation Susanna (Affäre Lavon)

Israel ist bei weitem nicht der rational handelnde, berechenbare und seinen Unterstützern loyale Partner. Ein kurzer Blick in die Geschichte der letzten Jahrzehnte zeigt ein völlig anderes Bild. Von der Staatsgründung im Jahr 1948 an setzten die verschiedenen israelischen Regierungen rücksichtslos ihre eigenen Interessen durch, wenn nötig sogar gegen die eigenen „Freunde“. Dazu zwei konkrete Beispiele:

1954 wurden von einer vom israelischen Auslandsgeheimdienst aufgebauten zionistischen Terrorzelle Attentate gegen ägyptische, vor allem aber gegen britische und amerikanische Einrichtungen durchgeführt. Damit sollte ein Rückzug der Briten aus Ägypten verhindert werden. Die „Operation Susanna“ kostete letztlich den israelischen Verteidigungsminister Pinchas Lavon seinen Posten, sie ist daher auch als „Affäre Lavon“ in die Geschichtsbücher eingegangen. Sie ist aber nie richtig aufgeklärt worden und erlaubt auch einen signifikanten Einblick in die skrupellosen internen Machtkämpfe der israelischen Nomenklatur.

Die Affäre SS Liberty

Am Beginn des Sechstagekrieges im Juni 1967 griff die israelische Armee ein klar als solches gekennzeichnetes US-amerikanisches Spionageschiff an und tötete dabei 34 amerikanische Soldaten und verletzte 170. Dieser Angriff wurde später als Irrtum hingestellt, eine völlige Aufklärung gibt es bis heute nicht, da auch die US-amerikanische Seite daran nicht interessiert war und ist. Die Absicht der Israelis bestand offensichtlich darin, völlig freie Hand bei ihren Operationen gegen die ägyptische Armee auf dem Sinai zu haben. Dort ereigneten sich – wie sich später erwies – tatsächlich auch zahlreiche Massaker.

Die bis heute nicht beendeten Spionageaktionen Israels in den USA (Stichwort Jonathan Pollard sowie die derzeit laufenden Prozesse gegen Spionageaktivitäten der einflussreichen zionistischen Lobbyorganisation in den USA, AIPAC) beweisen, dass Israel de facto nur eine einzige Loyalität kennt, nämlich gegenüber sich selbst und dem zionistischen Charakter des Staates Israel. Wer auch nur im Entferntesten diese Werte gefährdet, wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft. Dass diese inoffizielle Staatsideologie inzwischen auch höchst bedenkliche und gefährliche Entwicklungen in Israel selbst gefördert hat, stimmt bedenklich. Der Mord an Jitzhak Rabin und der ungebrochene Terror der Siedler sind nur zwei Beispiele für diese innere Militarisierung des Jüdischen Staates. Und dass diese radikalen und rassistischen Kräfte einen zunehmenden Einfluss auch auf die israelische Regierung haben, sollte doch die Alarmglocken läuten lassen.

Zusammenfassend: Die Gefahren des islamistischen Terrors sollten sehr wohl im Westen ernst genommen werden. Aber die von der Israel-Lobby mit großem Erfolg verbreitete Meinung, wonach Israel ein rationaler und dem Völkerrecht verpflichteter Partner im Kampf gegen den Terror ist, sollte angesichts der historischen Erfahrungen und der aktuellen Politik des zionistischen Staates einer ernsthaften Überprüfung unterzogen werden.

Es scheint vielmehr so zu sein, dass Israel selbst eine massive Gefahr für Frieden und Stabilität im Nahen Osten darstellt, und daher absolut kein geeigneter Partner für eine westliche Anti-Terror-Strategie, welche neben Frieden und Stabilität auch Demokratie und Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechtes zum Ziel hat, ist.

Als Anti-Terror-Partner untauglich

Eine europäische Anti-Terror- und Nah-Ost-Friedenspolitik sollte daher Israel nicht zum privilegierten Partner, sondern – so wie viele andere Staaten der Region – zum Partner eines kritischen Dialogs machen, der von den Beteiligten ein glaubwürdiges Bekenntnis zu Frieden, Stabilität, Demokratie und Achtung der Menschenrechte fordert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2008)

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