Warum die USA der Orbán-Regierung die Gelbe Karte zeigen

Mögliche Hintergründe des Einreiseverbots für Orbán-Vertraute in den USA.

Die USA scheinen endgültige ihre Geduld mit der jetzigen ungarischen Regierung verloren zu haben. Die jahrelange Kritik am Demokratieabbau und an der Aushöhlung des Rechtsstaats, diplomatische Demarchen und Verwarnungen, die vielen kritischen Artikel in westlichen Medien verfehlten stets ihr Ziel. Die schrittweise Entfernung Ungarns von liberalen westlichen Werten und die Annäherung des früheren östlichen Musterschülers an die in weiten Teilen Asiens dominierende Herrschaftsform des Autoritarismus hat man bis jetzt nicht aufhalten können.

In den vergangenen Wochen wurde aber deutlich, dass die Amerikaner ihre Haltung gegenüber der ungarischen Regierung verschärfen werden. Unlängst warf Ex-Präsident Bill Clinton in einer Talkshow dem ungarischen Premier Viktor Orbán „autoritären Kapitalismus“ vor. Darauf folgte eine Rede von Präsident Barack Obama, in der er Ungarn gemeinsam mit Aserbaidschan, China, Russland und Venezuela in die Gruppe jener Länder einordnete, die die Tätigkeit der Zivilgesellschaft deutlich erschweren würden.

Vizeaußenministerin Victoria Nuland machte zuletzt den ungarischen Ministerpräsidenten, ohne ihn beim Namen zu nennen, für den „Krebs der demokratischen Rückbildung“ verantwortlich.

Nächste Eskalationsstufe

Das Ende vergangener Woche verordnete Einreiseverbot für Regierungsbeamte und Geschäftsleute aus dem Umfeld des ungarischen Regierungschefs stellt die nächste Eskalationsstufe dar. Auf diplomatischer Ebene ist es eine ungewöhnlich scharfe Maßnahme, die unter Alliierten sonst kaum vorkommt. Offiziell wurde das Einreiseverbot für „weniger als zehn Personen“ wegen Korruption verhängt; es sollen aber auch andere Auslöser mitgespielt haben.

Die Einschüchterung der Zivilgesellschaft durch die Orbán-Regierung hat zuletzt die Alarmglocken in Washington immer laute läuten lassen. Die US-Regierung fördert weltweit zivilgesellschaftliche Akteure, die eine feste Rolle innerhalb demokratischer Staatsordnungen spielen; deren Unversehrtheit gilt als sakrosankt. Mit der Erstürmung des Büros der Ökotárs-Stiftung vor einem Monat hat die ungarische Exekutive dann die rote Linie endgültig überschritten.

Die „Putinisierung“ Ungarns

Auch die prorussische Haltung Ungarns in der Ukraine-Krise löste Empörung und Ärger in der US-Hauptstadt aus. Mit der Ablehnung der westlichen Sanktionen gegen Russland manövrierte sich Orbán letztendlich ins Abseits.

Die auf der Ostöffnung basierende ungarische Wirtschaftspolitik, der im Jänner für das AKW in Paks ausgeliehene zehn Milliarden Euro schwere Kredit aus Moskau und die auf Hochtouren laufende Putinisierung des Landes in Richtung einer „illiberalen Demokratie“ wurden auf der anderen Seite des Atlantiks von Anfang an als verdächtig eingestuft und mit Argusaugen beobachtet.

Die US-Regierung hat erkannt, dass der „ungarische Krebs“ ein ernsthaftes Risiko für die Einheit des Westens darstellt und dass er weitere Staaten in der Region anstecken könnte. Die USA sind nicht bereit, die nach dem Fall der Berliner Mauer etablierte politische Ordnung Europas aufzugeben.

Das EU- und Nato-Mitglied Ungarn, das während der vergangenen zwei Jahrzehnte Förderungen in Milliardenhöhe aus dem Westen bekommen hat, soll auf den westlichen Weg zurückkehren und das seit vier Jahren andauernde autoritäre Abenteuer wieder beenden. Washington lässt den Worten Taten folgen. Es dürfte nicht lang dauern, bis Brüssel ähnlich agiert.

Balazs Csekö (28) ist gebürtiger Ungar und studierte Politikwissenschaft an der Universität Wien. Er lebt und arbeitet als freier Journalist in Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)

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