Die Spatenschwinger von Gmunden

Am Beispiel einer oberösterreichischen Bezirksstadt: Wir könnten sofort Unsummen einsparen, würden öffentliche Projekte nur noch mit Hirn und ohne Schielen auf Wahltermine oder Wählerkauf realisiert.

Noch wissen wir Staatsbürger nicht, was uns steuerreformmäßig blüht. Angeblich werden fünf Milliarden lockergemacht, Sozialminister Rudolf Hundstorfer droht mit sechs. Ich fürchte, die Tarifsenkung wird teuer. Am Ende zahlen immer jene, die noch Steuern zahlen.

Während uns die SPÖ das Steuerparadies hier und jetzt verspricht, schwadroniert die ÖVP von Einsparungen in ferner Zukunft dank Verwaltungsreform, weshalb das SP-Paradies eben doch nicht sofort ausbrechen könne. So weit, so schlecht. Derweil tagt eine Reformkommission zur Reform der Steuerreformkommission, um Ende des Jahres ihre Erkenntnisse der Zweitgenannten zu übergeben. Leute, denen so etwas einfällt, sprechen allen Ernstes von Verwaltungseinsparung...

Der Verwaltungsreform-Sager ist ein großes Täuschungsmanöver. Meine kecke These: Auch ohne Verwaltungsreform kann man Milliarden einsparen – blitzartig und ohne, dass es jemand nachteilig spürt. Selbst die Beamtenschaft müsste nicht verringert werden, bloß ruhig in den Amtsgebäuden verharren und nichts tun.

Umgekehrtes Florianiprinzip

Gut, ein paar negativ Betroffene sind denkbar, in erster Linie wahlkämpfende Politiker, die nicht mehr mit Spaten durchs Land wuseln könnten, um den Baubeginn überflüssiger Projekte zwecks erhoffter Verbesserung der eigenen Wahlergebnisse zu feiern. Der spatenschwingende Politiker ist in Vorwahlzeiten ein sehr unscheues Tier und neigt dazu, an allen Ecken und Enden mit feierlicher Miene aufzutauchen und fotogerecht kurz mit dem Spaten die Erde zu durchwühlen. Folge: Die von den Reden ergriffenen Bauarbeiter müssen selbst den Spaten ergreifen und anders als die Politiker wirklich schweißtreibende Arbeit leisten, um die Baustellentopografie wieder in Ordnung zu bringen.

Ich möchte das mittels der kleinen Bezirksstadt, in der ich regelmäßig lebe, illustrieren. Es dauerte ein paar Jahre, bis ich das Schibboleth kommunalpolitischer Entscheidungen durchschaut hatte, eine Art umgekehrtes Florianiprinzip: „Heiliger Sankt Florian, überschütt uns mit Geld, nicht die Gemeinden nebenan!“

Deutlich wurde das, als man heuer daranging, die alte Straßenbahn in eine RegioTram umzuwandeln. Die Grundsatzfrage, ob dieses Projekt sinnvoll ist, klammere ich aus, es geht um die Methode, wie da ein umstrittenes Vorhaben (3000 Gegenunterschriften) mit Steuergeldern finanziert wird.

Die Nostalgiestraßenbahn ohne Bedeutung für den Lokalverkehr soll in eine Bahn verwandelt werden, die mit 30 Meter langen Zügen durchs enge historische Stadtzentrum fährt. Kosten der 700 Meter Verlängerung: circa 30 Millionen. Eine von der privaten Verkehrsfirma in Auftrag gegebene Studie rechnet kühn vor, dass diese von der öffentlichen Hand finanzierte Lösung zu einer Verdoppelung der Fahrgastzahl führe. Wobei die Autoren selbst sagen, dass sich die momentane Fahrgastzahl „auf eher bescheidenem Niveau bewegt. Die Zeitreihen zeigen, dass ein Großteil der Kurse unter zehn Fahrgäste aufweist.“

Private Zählungen ergaben gar nur durchschnittlich fünf Personen. Daraufhin fand die Politik neue Argumente: In den Kosten seien der Neubau der Traunbrücke und die Sanierungen (Gas, Wasser, Kanal) enthalten. Diese Kosten seien dank Tram-Projekt nicht von der Gemeinde, sondern vom Land zu bezahlen. Anders gesagt: Die Gemeinde spart sich Geld, reißt dafür eine Brücke 25 Jahre vor der Zeit weg, verschandelt die Altstadt, weil es „Gmunden nichts kostet“. Dumm nur, dass am Ende immer derselbe Steuerzahler steht, der alles berappt. Aber wie hat ein Lokalpolitiker gesagt: „Lieber, das Geld wird hier verbuddelt als im Mühlviertel.“ Heiliger Sankt Florian...

Privat-Uni-Träume gescheitert

Die Kosten der gescheiterten Privat-Uni-Träume sind bis heute nicht offengelegt. Mit Planung und Konzept hatte man trotz Warnungen eine Person beauftragt, die einschlägige Erfahrung mit der Unterschlagung öffentlicher Gelder hat und somit auch Häfen-Erfahrung mitbrachte. Man sprach von 800 Studenten binnen fünf Jahren. Die sind nicht zu sehen. Das Geld auch nicht mehr.

Selbst im Tunnelbau (Untertunnelung des Traunsees) versuchte man sich erfolglos. Kurzresümee: ein Haufen Geld spurlos verschwunden. Aber nicht im Tunnel, denn der wurde nie gebaut. Gmundens strukturelles Defizit von rund zwei Mille führte innert 15 Jahren zu explodierenden Schulden (Verdoppelung!) trotz Verkaufs öffentlichen Eigentums (circa 15 Mio.).

Budgettricksereien

Die Gemeinde weist trotzdem ein „ausgeglichenes“ Budget aus. Der Trick: Auslagerung in eine Gemeinde-KG sowie angebliche Investitionen. Abgänge verschwinden im außerordentlichen Haushalt. Schulden sind es immer noch, man sieht sie nur nicht. Die angeblichen Investitionen sind meist keine. Der unnötige Neubau des Dienstleistungszentrums ist so ein Punkt: 4,2 Mio., die Hälfte „zahlt eh das Land“. Begleitet von gelungenen Schildbürgerstreichen: keine Heizung, Fenster wurden „eingespart“ und mussten nach Protesten der Belegschaft im Nachhinein eingebaut werden. Kostensteigerung eine Mille.

Das Kammerhofmuseum wurde ohne inhaltliches Konzept renoviert und um 60Prozent erweitert, jetzt beinhaltet es das Klomuseum und andere bedeutende Sehenswürdigkeiten. Die Einnahmen je Besucher liegen bei drei Euro, die Gemeinde legt fünfzig Euro dazu. Die Steuerzahler haben es ja.

Anruf beim Landeshauptmann

Oder der Erweiterungsbau der Landesmusikschule: 3,4 Mille, 2,4 – richtig geraten! – „zahlt eh das Land“. Wen schert's, dass drei wichtige Grundschulen in schlechtestem Zustand sind und für deren Sanierung vorerst bis Ende 2017 kein Geld vorhanden ist? Ein Jahr vor der Wahl zählt eben die Spatentauglichkeit der Musikschule.

Obwohl, so erzählt man in Gmunden, die Landeskontrolle wegen des Schuldenstandes ablehnte. Vierzehn Tage vor dem Spatenstich. Ein Anruf des Bürgermeisters beim Landeshauptmann, „Spaten gefährdet!“, soll genügt haben: Die hohen Herren durften kurz schaufeln.

Der Verdoppelung der Schulden steht keine Verdoppelung des Nutzens gegenüber: Die Straßen sind schlecht, die Innenstadt stirbt trotz vorwahlbedingter Jubelmeldungen des Bürgermeisters. Wenn man diese Verschwendungsorgie auf Österreich hochrechnet, ahnt man, wieso bei einer Staatsquote von über fünfzig Prozent trotzdem Geld für wirklich wichtige Vorhaben fehlt.

Wir brauchen weder neue Steuern zur Finanzierung einer Steuersenkung noch eine Verwaltungsreform (die nichtsdestoweniger sinnvoll ist). Wir könnten von heute auf morgen Unsummen einsparen, würden öffentliche Projekte nur noch mit Hirn und ohne Schielen auf Wahltermine oder Wählerkauf realisiert. Im Übrigen bin ich für ein Spatenstichverbot!

DER AUTOR

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Michael Amon
(geb. 1954 in Wien) lebt als freier Autor in Gmunden und Wien.

Der Romancier und Essayist ist auch geschäftsführender Gesellschafter einer kleinen Steuerberatungskanzlei. Heuer erschienen zwei Bücher von ihm: „Panikroman“, sowohl Psychogramm eines Börsenhändlers als auch der Finanzmärkte, und „Nachruf verpflichtet“ als Band drei der „Wiener Bibliothek der Vergeblichkeiten“. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2014)

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