Ein Gespenst geht um in Europa...

Wie die steigende Arbeitslosigkeit bekämpft werden kann.

Selten waren sich Wissenschaft und Wähler so einig wie in der Frage, wie steigende Arbeitslosigkeit verhindert werden kann. Bei einer Umfrage der sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft im September 2014 nannten 84Prozent Wirtschaftswachstum als wichtigste Maßnahme gegen steigende Arbeitslosigkeit. Nun hat die EZB eine gewaltige Liquidität geschaffen in der Erwartung, dass eine Preissteigerung von zwei Prozent, also eine geringe Inflation, den Konsum anregen, dass Liquidität die Möglichkeiten des Bankensystems zur Kreditvergabe steigern und dass Wirtschaftsexpansion finanzierbar wird.

Allerdings hat man sich da gleich eine Fußfessel angelegt, mit Basel III, das Kreditvergabe an Risikovorsorge der Banken bindet. Ein Konjunkturaufschwung wird, so die allgemeine Meinung, nicht von selbst kommen, denn kein Betrieb wird Leute aufnehmen, Maschinen anschaffen, Halbfabrikate ankaufen, wenn er nicht eine Absatzmöglichkeit in Reichweite sieht. Diese Nachfrage kommt nicht von selbst, nur Institutionen, die nicht auf Nachfrage warten müssen, also Staaten oder Staatengemeinschaften, können Nachfrage schaffen. Das ist auch ein Ziel der neuen EU-Kommission – deren Präsident Juncker hat einige hundert Milliarden Euro in den Raum gestellt.

Leider kann man nicht die Augen davor schließen, dass die EU durch die Sanktionen gegen die Russische Föderation die im Vorjahr aufkeimende Hoffnung auf einen Konjunkturaufschwung zunichtegemacht hat. Warnende Stimmen wie die von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl wurden nicht gehört. Kraftmeiereien des englischen Premiers David Cameron waren wirksamer.

Natürlich gibt es auch andere Stolpersteine für einen Konjunkturaufschwung. Die EU hat sich vorgenommen, eine Pionierrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels zu spielen, in der Hoffnung, dass andere mitmachen werden. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Europa, mit einem Anteil von acht Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß, keine großartigen Erfolge erzielen wird und die anderen großen CO2-Produzenten wie China, Indien und die USA eher zuschauen werden, wie wir Europäer unsere Wirtschaft schädigen und konjunkturelle Entwicklungen bremsen. Bekanntlich ist der europäische CO2-Ausstoß in den Krisenjahren 2009–2013 stark zurückgegangen, aber die Arbeitslosigkeit hat ebenso stark zugenommen.

Kritik am Schiefergas

In Österreich haben wir noch etwas draufgelegt, hier ist Technikskeptizismus besonders stark. Ein Beispiel: Die USA haben vorwiegend durch die Produktion von Schiefergas den Energiepreis so gedrückt, dass er ein Drittel des europäischen beträgt. Wir sind aber noch stolz darauf, dass wir die Schiefergasexploration verboten haben, weil dabei Chemikalien mit im Spiel sind. Keiner weiß welche, und keiner erinnert sich daran, dass auch die gewöhnliche Erdöl- und Erdgasproduktion nicht gerade umweltschonend waren. Nichts ist umsonst, man kann also nur zwischen Umweltpolitik und Beschäftigung wählen. Leider machen sich da sozialdemokratische Parteien und Gewerkschaften wenig Sorgen.

In Österreich haben wir eine zusätzliche Wirtschaftswachstumsbremse erfunden. Unsere Staatsanwälte sind besonders aktiv geworden, und leicht ist ein Manager im Verdacht der Untreue, der Bildung einer kriminellen Vereinigung oder des mangelnden Einsatzes seiner Compliance-Abteilung, wenn er etwas für seine Leute und seine Eigentümer riskiert. Das führt letzten Endes dazu, dass man Verantwortung möglichst abschiebt. Lieber nichts riskieren, denn es genügt ja schon, wenn man mit einem Fuß im Kriminal steht. Solche gesellschaftlichen Entwicklungen erkennt man oft erst, wenn es zu spät ist.

Dr. Heinz Kienzl war Generaldirektor der Oesterreichischen Nationalbank.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2014)

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