Klaus Emmerich und Rassismus als „zulässige Dimension“

Bedrohlicher Obama und ein Spaziergang mit einem Schwarzen: Die rassistischen Strategien hinter den Aussagen des Ex-ORF-Journalisten.

Da erzählte jemand jahrelang in die Kamera bedeutungsschwanger Gemeinplätze. Plötzlich ist die Kamera, und damit die Bedeutung weg. Rühren Emmerichs Tiraden nur von Geltungsbedürfnis, der Gelegenheit, in eine umfassend positive Stimmung hinein Unpassendes zu sagen? Auch, aber keineswegs vor allem.

Emmerich konstruierte in der ORF-Diskussion am Mittwoch deutlich und zugleich primitiv ein Ausgrenzungs- und Abwertungsszenario, das sich unterschiedlicher rassistischer Strategien bediente. Da ist der „Wir-Diskurs“, in dem das „weiße, männliche Amerika“ gegen „Sklaven“ und „jüdische Emigranten“ positioniert wird. Was „weiß“, was „schwarz“ und was „jüdisch“ sei, wird gemäß absurden früheren Rassenlehren wie selbstverständlich vorausgesetzt.

Dass man sich vor dem „schwarzen Mann“ fürchten müsse, betont Emmerich in einem „Presse“-Interview (7.11.), in dem er von einer „fast diabolischen Begabung“ Obamas spricht. In der ORF-Diskussion verknüpfte er ein Lob für Obamas „rhetorische Brillanz“ mit einer Anspielung auf die faschistisch-autoritäre Gestaltung öffentlicher Kommunikation: Sie stimme ihn „als gelernten Europäer und Österreicher seltsam im Gemüt“. Gefragt, wie er das meine, antwortet er durch implizite Bestätigung: Spiele er auf Hitler an? „Das haben Sie gesagt.“ Er macht damit die rednerische Begabung, die „Kunst des Verführens“, zum verbindenden Element zwischen zwei Politikern, von denen einer das schlechthin Böse verkörpert.

Dass von dieser Wahl Gefahr ausgeht, wird dem Gewählten zugeschrieben. Eine Bedrohung wurde bereits in den Raum gestellt („bin mal neugierig, wie das weiße Amerika reagiert“). Auch die Generalisierung „Ich halte die Amerikaner nach wie vor für Rassisten“ könnte als Warnung verstanden werden. Andererseits kommen die Schwächen des scheidenden Präsidenten gerade recht, um die Fähigkeiten seines Nachfolgers kleinzureden: „Im Vergleich zu dem jetzigen Präsidenten ist es leicht, genial, begabt, charismatisch und weiß nicht, was alles zu sein.“ Es bleibt unklar, ob nun die kommunikative Brillanz die USA und die Welt insgesamt in Gefahr bringt, oder ob es sich bei Obama nur um einen aus dem konstruierten Kollektiv der „Schwarzen“ handelt, „die in ihrer politisch-zivilisatorischen Entwicklung noch nicht so weit“ sind.

Kann jemand die Logik der Wahl in den USA auf eine so widersprüchliche Weise auf den Punkt bringen? Herr Emmerich kann.

Auch in der verzerrenden Bezugnahme auf Ereignisse oder Entwicklungen, die aus Emmerichs Sicht eine vergleichbare Bedrohung für Österreich darstellen („der nächste österreichische Bundeskanzler ein Türke“) tritt Emmerichs Rassismus offen zu Tage.

Kultur wird zum rassistischen Argument

Emmerich glaubt offenbar an einen grundlegenden Wesensunterschied zwischen Menschen verschiedener Herkunft, der die einen zum Herrschen, die anderen zum Dienen disponiert. Diese Ansicht bildet den Kern vieler Rechtfertigungsversuche sozialer Ungleichheit.

In diesem Zusammenhang müssen wir vermerken, dass die „klassischen“ Formen rassistischer Argumentation durch andere erweitert wurden. Der Soziologe Gerhard Hauck schreibt in seinem Buch „Kultur. Zur Karriere eines sozialwissenschaftlichen Begriffs“: „Der Kulturbegriff hat den Rassebegriff abgelöst als zentrales Rechtfertigungsargument für Diskriminierung und Unterdrückung jedweder Art.“ Für den rassistischen Diskurs steht heute das „Minarett“ als „rassistisches“ Argument gleichberechtigt neben der Hautfarbe.

Klaus Emmerich ist klug genug, seinen rassistischen Zugang zu relativieren. Im „Presse“-Interview behauptet er schließlich, er sei kein Rassist – sein Beleg: Er habe als Kind einen befreundeten schwarzen Studenten auf einem Spaziergang begleitet. Die Rassismusforschung kennt diese Strategie: Man hat einen Afrikaner als guten Bekannten und kann darum unmöglich ein Rassist sein. Im gleichen Interview erklärt Emmerich jedoch Rassismus als zulässige „Dimension“ ...

Die Beschäftigung mit Rassismus kam in Österreich mit der Waldheim-Diskussion in Bewegung und erweiterte sich mit dem Tod von Marcus Omofuma auf Rassismus gegenüber Afrikanern. Die Internetkommentare zu Emmerichs Bemerkungen zeigen allerdings auch, dass manche MitbürgerInnen noch immer der Meinung sind, Rassismusforschung sollte sich eher mit Zielgruppen des Rassismus, mit AfrikanerInnen, Roma, Jüdinnen und Juden befassen als mit den Rassisten. Das wäre sicher der falsche Weg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2008)

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