Schulsystem im Sinkflug

Wir haben eine Schulaufsicht am Busen eines verfilzten politischen Systems genährt.

Die Debatte um die Qualität unseres Schulsystems wird schon seit Jahren erfolglos geführt. Einen Aspekt möchte ich beleuchten, der bisher sorgsam verschwiegen wurde: die Verantwortung der Schulbehörde, eines aufgeblähten Beamtenapparats in neun Bundesländern.

Faktum ist, dass sich die Schule und deren Aufgabenstellung völlig verändert haben. Einerseits bedingt durch den Wandel der Familie, weiters durch das Computerzeitalter und das Internet sowie die damit einhergehende Globalisierung. Angesichts dieser Tatsachen wäre es denn doch die Pflicht der Schulbehörde gewesen, rechtzeitig und innovativ dafür zu sorgen, dass
•die Ausbildung der Lehrer diesem Wandel angepasst wird,
•dass endlich auch das Prinzip der Leistung in diesem Berufszweig eingeführt wird,
•dass eine regelmäßige Qualifizierungsprüfung der Lehrer als selbstverständlich erachtet wird
•und auch die in Grundzügen noch bestehende maria-theresianische Schulorganisation den Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst wird.

Stattdessen haben wir eine Schulaufsicht (in meiner 40-jährigen Dienstzeit habe ich es vor Ort erfahren) am Busen eines verfilzten politischen Systems genährt, die nicht die Besten in führende Positionen lässt, sondern dem System Angepassten, sturem Kadavergehorsam Verpflichteten den Vorzug gibt. Jeder dagegen Aufbegehrende wird mittels „Rasenmäherprinzip“ diszipliniert und zurechtgestutzt. Es geht diesem Personenkreis nicht um Bildung, sondern um politische Pfründe. Wie sonst wäre es möglich, dass Bildungsziele so verfehlt werden und regionale Bildungsunterschiede von bis zu einem Jahr auftreten. Ein unverantwortlicher Zustand gemessen an den Anforderungen unserer international vernetzten Wirtschaft!

Wann werden wir endlich einen Politiker vom Format eines Barack Obama erleben, der den Mut zur Wahrheit besitzt, wenn er in seinem Buch „Hoffnung wagen“ schreibt: „In einer Welt, in der das Wissen den Wert eines Bewerbers auf dem Arbeitsmarkt bestimmt, in der ein Kind in Los Angeles nicht nur mit einem Kind in Boston konkurriert, sondern mit Millionen Kindern von Bangalore bis Beijing, erfüllen zu viele Schulen in Amerika ihren Teil des Vertrages nicht.“

HR Mag. Dr. Albert Lorenz ist emeritierter Direktor des Keplergymnasiums in Graz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2008)

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