Warum keine Altersquote?

Der Nationalrat könnte auch einige ältere Köpfe sehr gut vertragen. Erfahrung hat noch keiner Demokratie geschadet.

Alle reden über die Frauenquote – von den Führungsetagen in der Wirtschaft bis hin zu den gesetzgebenden Körperschaften. Eine Altersquote etwa im Parlament ist hingegen kein Thema. Dabei würde das Hohe Haus nicht nur eine bauliche Generalsanierung, sondern durchaus auch eine neue Kultur in dieser Frage vertragen.

In Österreich liegt das sogenannte Pensionsantrittsalter mit 58,3Jahren nicht nur unter dem EU-Durchschnitt, es ist in den vergangenen 50 Jahren sogar merkbar gefallen. Parallel dazu ist die Lebenserwartung beachtlich gestiegen und liegt heute im Durchschnitt bei 80,7 Jahren. Die Schere der Pensionsdauer hat sich in diesem Zeitraum fast verdreifacht.

Es sind nicht nur die steigenden Pensionskosten, die dazu führen, dass immer wieder über eine Anhebung des Pensionsantrittsalters diskutiert wird. Ohne Zweifel sind viele Menschen heute auch über das Pensionsantrittsalter hinaus körperlich wie geistig fit. Und sie könnten durchaus länger ihren Einsatz leisten – umso mehr, als sie allein aufgrund ihrer Erfahrung viel zur Weiterentwicklung Österreichs beitragen könnten. Das gilt letztlich auch für das Parlament, das ja ein repräsentativer Querschnitt unserer Gesellschaft sein sollte.

Sieht man sich in manchen Parlamenten europäischer Staaten um, wird man erkennen, dass sich dort durchaus einige Elder Statesmen (allerdings fast nur Männer) auf Abgeordnetensitzen finden.

Wortspender für „Seitenblicke“

Es genügt bereits ein Blick ins benachbarte Deutschland. Nicht weniger als zehn sind dort 70 Jahre alt und älter, einer steht sogar knapp vor dem 80er. In Österreich dagegen fällt mit 65 mehr oder weniger der Vorhang. Gerade ein Parlamentarier ist derzeit im 66.Lebensjahr und damit der Doyen; bei den Frauen ist bereits mit 63Jahren der Altersplafond erreicht.

Es ist zwar rührend, wie Altparlamentarier Seniorenverbände leiten und sich um die Anliegen der älteren Generation bemühen, vor allem, was die jährliche Anpassung des Pensionsindex betrifft. Sie können dies aber nur außerhalb der zuständigen gesetzgebenden Körperschaft machen. Im Parlament hat kein Seniorenvertreter ein Stimmrecht. Man ist auf das Wohlwollen und Verständnis der jüngeren Generationen angewiesen.

Viele Politiker, die sich aus dem aktiven Leben zurückgezogen haben, sind im öffentlichen Leben kaum mehr präsent. Gerade, dass sie hin und wieder als karitative Wortspender in den „Seitenblicken“ auftreten oder Memoiren schreiben. Nicht wenige freilich sind durchaus politisch engagiert und äußern sich – nicht immer zur Freude der jeweiligen Parteiführungen – gelegentlich zum politischen Geschehen.

Da geht es nicht nur darum, dass es manchen Politiker vielleicht schwerfällt, still und schweigsam zu sein, sondern darum, dass allein aus der Verantwortung für Staat und Gesellschaft sehr wohl substanzielle Beiträge von jenen geleistet werden können, die zwar nicht mehr an der Macht sind, aber sehr viele Einblicke gewonnen und Wissen gesammelt haben. Österreich hat den jüngsten Außenminister in der EU. Es könnte aber auch einige ältere Köpfe im Parlament sehr gut vertragen. Erfahrung hat noch keiner Demokratie geschadet.

Mag. Herbert Vytiska (*1944) war 15 Jahre lang Sprecher des früheren ÖVP-Chefs Alois Mock. Heute ist er Politikberater in Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2014)

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